Tag 12

Tag 12




Geliebte Erika,
Tagebuch Sonne meines Herzens, wenn du nur bis an dieses verschlammte Drecksloch scheinen könntest. Ich fluche zu viel, aber der Morgen war grauenvoller, als der letzte Tag am Strand.

Das Abkochen von Wasser beanspruchte die meiste Zeit und meine Rast war nun auch noch mit wenig Schlaf gesegnet. Ich hatte gestern bei weiten nicht alle Frösche erwischt. Hätte ich sie doch niemals alle Essen können, so viele waren es. Und so laut waren sie, als sie mich in den frühen Morgenstunden weckten.

Ich tötete mir ein paar zum Frühstück und ging nur mit einer halben Wasserration los. Ich konnte das Gequake nicht mehr hören.

Die Felsspitze immer in Blick, versuchte ich die Richtung zu halten, doch der Nebel war grausam zu mir und so musste es natürlich soweit kommen, dass ich mich verlief.

Nun kamen die Muscheln zum Einsatz. Ich ließ von Zeit zu Zeit eine Muschel fallen. So dass ich bemerken würde, wenn ich an einer Muschel vorbei lief, muss ich am diesem Ort bereits gewesen sein.

Durstig irrte ich durch den Sumpf und blieb immer auf den Wegen, die nicht im Morast endeten, in der Hoffnung ich würde zu einem größeren Baum oder einen Hügel kommen, von dem aus ich eine bessere Sicht hatte. Doch weit gefehlt, der Bewuchs wurde immer weniger und die Büsche immer kleiner und wenn die Oberfläche Unregelmäßigkeiten aufwies, dann ging es eher in die Tiefe.

Der Gestank aus dem Moor und der dichte Nebel zwang mich irgendwann auf die Knie und so kroch ich weiter bis ich nur noch waten konnte. Ich hoffte inständig die wasserdichte Verpackung des Tagebuches würde halten, weil auch wenn ich meinen Beutel über den Kopf hielt, tauchte ich doch einige Male unter. Dass ich auf meine alten Tage noch einmal Schwimmen lernen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Mehr schlecht als recht bewegte ich mich durchs trübe Wasser.

Ich bekam den widerlichen Geschmack des Schlamms nicht mehr aus meinem Mund und den Geruch nicht mehr aus meiner Nase.

Wäre ich doch nur durch den Wald gegangen, die Säerin hätte mich doch bestimmt gewähren lassen.

Völlig am Ende meiner Kräfte stieß ich gegen irgend etwas Hartes. Ich rieb mir mit einer Hand den Schlamm aus dem Gesicht und sah einen alten vermoderten Baumstamm vor mir. Ich legte meine Tasche darauf, um meinen anderen Arm zu entlasten.

Hinter dem Baumstamm war wieder fester und vor allem trockener Boden. Farnartige Gewächse wuchsen überall und was mich noch mehr verwunderte war die Größe dieser Gewächse. Es roch nach Moos und frischen Pilzen. Ich schüttelte den Kopf. Ich dachte meine Sinne stellten mir einen Streich, ich bin doch bis eben noch im wahrsten Sinne des Wortes durch die Scheiße gewatet und mitten im Sumpf gibt es eine halbwegs trockene Stelle.

Ich kletterte aus dem Morast über den Baum und kroch wie ein Tier über den moosigen Boden. Bah. Ich stank erbärmlich und alles an mir war nass und schlammig. An meiner Kleidung hing allerlei Unrat. Ich musste wie einer dieser Büsche aussehen, also ging ich weiter, weil es konnte ja immer noch sein, dass ich nicht alleine war in diesem Sumpf.

Ich lief solange bis der meiste Schlamm von mir gefallen war und blickte mich immer wieder um. Ich war allein. Gut so. Ich konnte Wasser plätschern hören und sah Enten in der Nähe aufsteigen. Ich lief noch eine Weile und kam an einen Tümpel. Das Wasser schien sauber zu sein. Ich trank es trotzdem nicht. Ich beschloss erst Feuer zu machen.

Dann sammelte ich trockenes Holz für Feuerholz. Ich machte ein Feuer, setzte Wasser auf. Ich zog meine Sachen aus und als sich sah was sich an mir festgesetzt hatte, wurde mir speiübel. Blutegel.

Nachdem ich kein Salz hatte, musste ich die Biester mit einem brennenden Stock entfernen. Ich beschloss mich und meine Sachen zu waschen. Also lief ich splitterfaser nackt und blutüberströmt zum Tümpel und wusch mich. Nachdem ich meine Sachen halbwegs sauber hatte, hing ich sie zum Trocknen auf.

Ich trank lauwarmes Wasser und setzte Neues auf. Dann wickelte ich das Tagebuch aus dem Leder und blätterte durch die Seiten. Zumindest konnte man noch lesen was ich schrieb, ob wohl es Wasser gezogen hatte.

Ich suchte mir etwas zu Essen. Enteneieromlette und Froschschenkel. Besser essen die feinen Herren auch nicht, geliebte Erika. Wie gerne würde ich mit dir zusammen speisen. Aber ich sitze hier und friere. Die Bisse der Blutegel jucken schrecklich. Ich hab nicht mal die Kraft noch mehr zu schreiben, obwohl ich noch so viel zu erzählen hatte. Morgen war auch noch ein Tag, hoffte ich.

Hoffnungslos verliebt und verirrt im Labyrinth deines Herzens,

Dein Liebesmetzger