Eine Kiefer wie Eisen

Warum ein unglückseeliges Geschick unsere Expedition ausgerechnet in dieses Lager verschlagen hat wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben, aber es ist Sache des Kommandanten so etwas zu entscheiden. Ich hoffe nur, dass er triftige Gründe dafür hatte, nicht dass er diese im Moment mit mir teilen würde oder irgendetwas besprechen würde, was sich nicht um die nächste Schlacht dreht...

Heute ist mir klar geworden, dass es nicht nur mir so geht, sondern dass Keiner aus dem Tross, der nicht direkt mit den Kämpfen zu tun hat, das Gehör unserer Expeditionsleitung, geschweige denn der Lagerleitung finden kann.

Wie viel ungenutzte Möglichkeiten hier entstehen, wie viel Potential hier verschenkt wird, wurde mir erst nach meinem Gespräch mit einem der Handwerker aus dem Tross klar. Ich sah ihn heute Mittag mit einem Gardisten streiten, der ihn nicht einmal die Nähe unserer Anführer hat treten lassen. Alle Beteuerungen, dass es wichtig sei und die weiteren Kämpfe entscheidend beeinflussen könnte, blieben ohne Erfolg.

Ich fürchtete, dass sich der Streit zu einem unschönen Vorfall entwickeln würde, waren doch beide vom Wüstenvolk und in ihrem Temperament entsprechend wenig zurückhaltend. Also schritt ich ein und der Handwerker beruhigte sich etwas, konnte er doch jetzt mit einem Mitglied des Stabes reden. Wie schnell sein Zorn doch wieder aufgeflammt wäre, hätte er gewusst, dass auch ich nicht mehr dem inneren Kreis zugeordnet bin. Doch so konnte ich mit wachsendem Interesse seinen Bericht entgegen nehmen.

Beim Fällen von Bäumen für den täglichen Bedarf des Lagers stießen sie auf eine Gruppe von Bäumen, die auf den ersten Blick fast wie Kiefern aussehen. Zur Überraschung aller Holzfäller, ließ sich keiner der Bäume fällen; sie widerstanden allen Versuchen ihnen mit Äxten und Sägen zu Leibe zu rücken. Selbst die kleinsten Äste besitzen noch eine unglaubliche Härte.

Da der Gute Mann sonst vor allem als Tischler und Zimmermann sein Geld verdient, konnte er mir gar nicht genug Wunderdinge erzählen, die sich mit einem solch harten und perfekten Holz bauen ließen. Angefangen von Mühlrädern, die ihre Achsen und Lager nicht mehr zerstören, über filigrane Brücken oder Leitern, bis hin zu ganz praktischen Waffen und Rüstteilen hatte er alles schon vor seinem geistigen Auge gebaut.

Ich muss ihm Recht geben. Man stelle sich ein Holzschild vor, dass die Stärke eines Stahlschildes besitzt oder einen Speer, der niemals bricht, ganz abgesehen von großen Kriegsgerät, bei dem das Holz immer der schwächste Teil ist. Allein er konnte keinen seiner Pläne ausführen, da es noch nicht einmal möglich war einen der Bäume zu fällen.

Wie naiv war ich in meiner Begeisterung, als ich den Bericht und die Pläne, durch viel Bitten und Einfordern von Gefälligkeiten, doch unserem Expeditionsleiter vortragen konnte. Ich stieß auf unverholenes Desinteresse. Es war nicht zu vermitteln welchen Schatz wir hier in greifbarer Nähe hatten, es wurden keinerlei Resourcen und Personen bewilligt, die Bäume auch nur eingehender zu untersuchen. Dem Krieger, der unser Kommandant vor so vielen Jahren einmal gewesen sein muss, war scheint es schon die Erwähnung von Holz suspekt und seine Aufmerksamkeit wendet sich bald wieder der nächsten Schlachtplanung zu.

So war ich auf mich alleine gestellt und ich konnte mir die Bäume mit einigen Uths zusammen anschauen. Sie werden bei den Uth als ToOb bezeichnet, was wohl so viel heißt wie Starker Baum, die besonderen Eigenschaften sind ihnen wohl bekannt, sie verwenden das Holz aber nicht, weil die Gewinnung so komplex und schwierig ist.

Es steht wohl zu befürchten, dass damit noch eines der Geheimnisse dieser Insel wieder in Vergessenheit gerät und der Schatz für uns ungenutzt zurück bleibt. Ich hoffe der werte Leser kann aus diesen Zeilen die Weisheit ziehen, sich nicht zu sehr in einen einzigen Aspekt der Geschehnisse um ihn herum zu vertiefen, wenn er nicht das wichtigste verpassen will.

gezeichnet
Tir Bel'Sal
Erster Schreiber der Expeditionstruppen