Tag 1

Geliebte Erika,

Tagebuches sind erst ein paar Momente, die ich auf das Meer starre. Dem immer kleiner werdenden Punkt am Horizont hinterher blickend und dem Wahnsinn, der ganz leise im Inneren meines Kopfes anfängt gegen die Schädeldecke zu pochen, erschreckender Weise gewillt zu sein anheim zu fallen.

Ich kann mich an die letzte Nacht kaum mehr erinnern. Gefeiert hatten wir, wohl. Nicht unseren Sieg, nein als die freiwilligen Verlierer feierten wir die Gemeinschaft und unseren kleinen Sieg für das große Ganze. Die Freunde, die sich fern ab von ihren Lagern und fern ab von ihrer Heimat auf diesem Eiland gefunden haben und etwas wahrlich Unglaubliches vollbracht haben.

War es doch wahrlich Wurst aus welchem Lager der Einzelne war, mit dem man seinen Trunk teilte, weil wir hatten die letzten Tage gemeinsam geschwitzt und geblutet, während die Lager auf den Schlachtfeldern gegeneinander stritten.

Zu tief in den Becher geschaut hab ich wohl. Doch dass ich meinen Verstand am Boden der letzten Flasche versenkt haben musste, wurde mir erst so richtig bewusst, als ich am nächsten Tag völlig allein mitten im Wald jenseits des Baches, am Fuße der Himmelstreppe aufwachte. Die Sonne hatte ihren Zenit schon lange überschritten.

Bei allen Göttern, ich würde mein Schiff verpassen, dachte ich und lief armewedelnd durch den Wald bis an den Ort, wo gestern noch mein Zelt gestanden hatte.

Als ich meinen Lagerplatz völlig verwüstet vorfand, machte ich mir zuerst Sorgen, dass in der Nacht noch etwas Schlimmes passiert sei. Hier sah es aus, als wäre das Zelt des Alchemisten in die Luft geflogen. Ich lief also armewedelnd weiter zum Landungssteg und dort stand ich noch, als die Sonne am Horizont verschwunden war.

Ich hatte nicht nur mein Schiff verpasst. Ich hatte das letzte Schiff verpasst! So was kann auch nur mir passieren. Ich musste zwei oder drei Tage geschlafen haben.

Und warum hatte mich niemand geweckt?

Komm zum Wettstreit haben Sie gesagt, da kannste ne ganze Insel gewinnen, haben Sie gesagt. Ruhm und Ehr, haben Sie versprochen.

Ja, die ganze Insel hab ich wohl für mich allein. Aber was nützt mir das. Könnte ich diese Insel doch eintauschen um noch eine weitere Nacht bei dir zu sein.  

Mit aller Liebe die ich aufbringen kann,


der Elmar