Tag 10

Tag 10
Tagebuch
Und weiter gehts. Ich bin heute morgen den Felsen hinaufgeklettert und hab ein paar Vogeleier zum Frühstück verspeist. Ich konnte 
den Sumpf nicht umgehen, weil der Felsen den Sumpf einrahmte und die Klippen am Sumpfrand viel zu steil abfielen. Der Sumpf hatte sich im Delta eines enormen Flusses gebildet, dessen viele Arme sich tief durch die Landschaft gefressen hatten.

Ich blickte den halben Tag wie ein Wahnsinniger auf den Sumpf und am Ende hatte ich einen Plan. Es war kaum zu glauben, aber es gab tatsächlich einen Weg durch den Sumpf. Einen Weg, viele Wege. Es war ein Labyrinth von unzählig vielen Möglichkeiten. Ich habe mir alles so gut wie es mir möglich war aufgemalt.

Halbwegs frohen Mutes kletterte ich also wieder vom Hügel hinunter und verpackte zuerst alle Papiere in ein Stück Leder, so dass sie möglichst wasserdicht verpackt zu sein schienen. Nur das Papier mit der Skizze vom Sumpf behielt ich in meiner Tasche, so dass ich jederzeit darauf blicken konnte.

Dann lief ich zum Strand und sammelte alles was sich zu essen lohnte, weil sonst müsste ich mich die nächsten Tage nur von Fröschen ernähren. Dann füllte ich das frische Wasser, das vom Felsen kam, in meine Flasche, meinen Topf und in ein paar von den leeren Nüssen und ich trank mich nochmal richtig voll. Die Sache mit dem Wasser machte mir echt große Sorgen, aber mehr Wasser konnte ich nicht mit mir schleppen. Aber alles besser als nichts zu tun, der Stillstand würde mein sicherer Tod sein. Einer verrückten Idee folgend sammelte ich so viele Muscheln in meine Taschen, wie ich finden und tragen konnte und so machte ich mich also einigermaßen wissbegierig auf in den Sumpf.

Die Wege waren einigermaßen unbewachsen. Es war zwar kein Halm oder Blatt geknickt, aber die Wege waren frei von Unkraut. Ich war also nicht alleine hier. Mir war nicht ganz klar, wer hier lebte, ob es die Mapori waren oder jemand anderes. Ich blickte also wachsam immer wieder hinter mich, ich konnte aber niemanden sehen.

Vielleicht kamen ja diese wandelnden Büsche aus dem Sumpf. Ach von den Büschen hab ich ja noch gar nichts geschrieben, geliebte Erika. Die Büsche hätten dir gefallen, die waren groß, ziemlich ruppig und ziemlich leise. Sie waren keiner Sprache mächtig. Obwohl sie anscheinend miteinander kommunizieren konnten, verständigten sie sich gegenüber Fremden nur mit harten Hieben.

Die Säerin, wie die Wächter der Urtümer und selbst die Mapori schienen sie zu verstehen, das heißt aber noch lange nicht, dass sie immer alles taten was die Mapori von ihnen verlangten.

Aber selbst die Büsche waren im Sumpf nur Büsche und hatten keine Arme und keine Beine und sie verfolgten mich auch nicht, weil sie fest mit dem Morast verwurzelt waren. Ich irrte also den ganzen Tag durch den Sumpf immer die Wege und den Zettel im Blick und ansonsten immer wachsam auf alles was um mich herum raschelte. Ich hab mich eigentlich kaum verlaufen, doch der Sumpf war ein unerbittlicher Gegner. Es gab viele Wege die von oben so aussahen, als wären sie einfach begehbar gewesen, doch ich machte mich bei der Durchquerung nicht nur einmal nass. Ich musste auch mit dem Gedanken spielen, dass ich wenn ich weiter in den Sumpf vordringen würde, ich mir irgendwann ein Floss bauen musste.

Doch blieb ich mit meiner Paranoia alleine, das blöde Gefühl in meiner Magengegend wollte einfach nicht vorübergehen, also blickte ich mich immer und immer wieder um. Doch da war nur ich. Ich und dieser Zettel an den ich mich klammerte. Und langsam kam auch mein Hunger und mein Durst. Ich hatte den Topf, die Nüsse und die Flasche bereits geleert. Doch dieses Brackwasser aus dem Sumpf wollte ich noch weniger Trinken, wie das Meerwasser sich zu trinken lohnte.

Obwohl ich allein auf weiter Flur war, bekam ich das Gefühl einfach nicht los, dass ich doch beobachtet wurde. Doch lief ich weiter auf dem Weg, weil ich hatte mir meine Route in Gedanken ganz genau durch dieses Labyrinth gelegt und wollte noch an dem Punkt ankommen, den ich von meinem Aussichtspunkt auf dem blanken Felsen aus hatte sehen können.

Ich kam am Abend endlich dort an und genau wie ich vermutet hatte, war dort ein kleiner Hügel mitten im Sumpf. Auf der kleinen Anhöhe schlug ich mein Lager auf und machte ein kleines Feuer in einer Felsnische, um mir ein Wenig zu essen zu machen. Obwohl ich auf jeden Fall alleine war auf diesem Hügel, kam ich mir immer noch beobachtet vor. Ich traute mich kaum zu schlafen, deshalb schrieb ich noch diese Zeilen.

Wollt ich doch noch mehr erzählen von den Vorkommnissen die uns auf Secundum so mitrissen:

Des Spannens müde geworden, ließen die Mapori irgendwann die Bögen sinken, doch mein Herr hielt die Säerin immer noch in seinen starken Armen. Er war über und über mit Buschwindröschen bedeckt.

Wäre ich ein Maler, dann würde ich ein wunderschönes Bild davon zeichnen. Nun bin ich aber nur ein dummer Metzger und um jedes der Worte verlegen, die mir einfach nie über die Lippen gekommen wären, wenn sie mir schon die Schamesröte ins Gesicht trieben, wenn ich nur davon schreibe.

Dieses entzückende kleine ätherische Wesen, war wirklich so ein armes Pflänzchen, so dass jeder hier auf dieser Wiese sein Leben für sie gegeben hätte. Und selbst wenn die Wächter im Reich der Asche uns irgendwann nicht wieder zurückschicken würden. Den wahren Tod hätten wir genommen, nur um sie wieder Lachen zu sehen.

Denn dieses traurige Bild lies selbst die stärksten Recken dahinfließen und die ärgsten Feinde lagen sich in den Armen und konnten ihre Tränen nun auch nicht mehr zurückhalten. Auch wenn nie einer dieser wackeren Männer auch nur ein Wort darüber verlieren würde, wie nah sie alle an diesem Tag am Wasser gebaut waren, so vergossen sie alle an diesem Tage ihre Tränen über den Buschwindröschen, die mittlerweile die ganze Lichtung schier überfluteten. Und so schworen sie bei ihrem armseligen Leben, ihren Ahnen und ihren Göttern, ihre Kraft und ihr Können für diese eine Sache in die Waagschale zu werfen. So halfen sie auch alle mit, das Unrecht wieder ungeschehen zu machen, auch wenn diese Aufgabe uns alles und noch viel mehr abverlangen sollte, was wir bereit waren zu geben.

Langsam kam Bewegung in die Sache. Die Druiden untersuchten den ganzen Platz und die Alchemisten nahmen Proben von dem schillernden Schleim, während die Späher die Umgebung im Auge behielten und die Krieger sich berieten.

Die beiden verbleibenden Wächter des Urtums kamen zu der Säerin, die immer noch im Arm meines Herren lag und gaben sich irgendwie wortlos zu verstehen und mein Herr behauptete danach steif und fest, dass er jedes Wort verstanden hatte, dass die Wächter dem Buschwindröschen zugeflüstert hatten. Es wäre an der Zeit gewesen einen weiteren Wächter in unsere Mitte zu holen, erzählte er mir später.

Die Säerin hatte sich aus seiner Umarmung gelöst, blickte sich um und stand dann auf, als würde sie schlafwandeln. Sie ging zu einem der beiden Spähern, die immer an der kleinen Brücke standen, um den Weg zur Himmelstreppe zu bewachen, so dass kein Unbefugter über den Pfad hinauf gelangte.

Sie stellte sich vor den Größten der beiden und blickte ihn von unten aus an, denn die Säerin sah noch kleiner aus, als sie so vor ihm stand. Dieser eine Mapori hießt Juniper und er war zwar noch jung, doch schien er seine Arbeit wirklich gut gemacht zu haben, denn die beiden verbleibenden Wächter gingen mit ihm die Himmelstreppe hinauf. Doch die Säerin kam wieder zu Quain und sprach zu ihn: ‘Wir werden einen neuen Urtum pflanzen müssen, dazu brauchen wir einen geeigneten Ort, um den heiligen Samen in reine Erde zu pflanzen und gutes Wasser um ihn zu wässern, Blut von meinem Blute und Blut von deinem Blute und vieles mehr wenn es von Nöten ist.’

Quain nickte ihr zu und stand auf. Ein kurzer Pfiff und ich und der Schreiber kamen angelaufen. Der Schreiber, dessen Namen ich bis jetzt gar nicht genannt hatte, weil ich mich bis jetzt nicht recht traute seine Geschichte niederzuschreiben. Also Alram Großer-Fettweißer war der Schreiber meines Herren und bestenfalls war er es immer noch. Er war es der wegen seiner Papiernotizen den ersten ernsten Eklat mit den Mapori verursachte.

Kurz gesagt, nachdem er sich geweigert hatte, sein Notizbuch in den Kreislauf zurückzuführen, zog die Säerin von dannen. Doch Quain schickte ihn umgehend zurück ins Lager, weil er hoffte, sie würde sich wieder beruhigen.

Das war nicht der Fall und wir gingen unverrichteter Dinge wieder zurück ins Lager. Der Schreiber hatte seine Papiere bereits vergraben und wie ich glaube zu Beginn schon schrieb, schrieb Alram ab diesem Zeitpunkt nur noch auf seiner Hand, um es im Lager dann auf eine alte Schweinehaut zu übertragen.

Am nächsten Tag gingen wir wieder zum Lager der Mapori in der Hoffnung, die Säerin wäre nun besser gelaunt als gestern. Mein Herr hatte mittlerweile unseren eigenen Botaniker im Lager des Krieges eingeschleust, um das Vorkommen neuer Blumen zu untersuchen. Dieser Botaniker mit dem blumigen Namen Reiner-Maria Wiederneit-Hanfgarn hatte doch tatsächlich einen Samen einer dieser seltenen Pflanzen auflesen können und seinem Herren bringen lassen und das alles ohne aufzufliegen innerhalb eines halben Tages und einer Nacht.

Mit diesem Samen sprachen wir bei den Mapori also wieder vor und kamen zumindest weiter, als gestern. An der kleinen Brücke, die über den Bach zur Himmelstreppe hinaufführte, bat man uns alle Waffen abzulegen. Wir waren mit zwei seiner besten Kämpfer unterwegs gewesen, die nur widerwillig ihre Waffen an der kleinen Brücke abgaben und darauf bestanden mit Rüstung den Weg hinauf zur Säerin anzutreten.

Fünf gingen hinauf und nur drei kamen an. Naja, sagen wir mal so, der Weg war ohne Rüstung schon hart genug und ich war heilfroh, dass ich nicht auch noch meinen Herren den Berg hinaufschleppen musste, hatte ich mit dem Schreiber genug zu schleppen. Ihm ging es auf dem Weg hinauf gar nicht gut, das schlechte Gewissen hatte ihn gepackt und sein Gemüt machte einen Wandel durch, so dass er den Weg ohne meine Hilfe nie bis ganz nach oben geschafft hätte.

Oben angekommen, war mein Herr bereits in einer demütigen Haltung zusammengesunken und ich bemerkte erst recht spät, dass ihm bereits aufgegangen war, warum die Säerin am gestrigen Tag so überzogen reagiert hatte. Sie wollte uns alle zum Nachdenken bringen, welche Ressourcen wir jeden Tag im Namen unseres Aeon verschwendeten und ohne über das Gleichgewicht nachzudenken uns in den Wettstreit stürzten.

So brachte die Himmelstreppe uns nicht nur zum Nachdenken, sondern brachte uns auch dazu demütig auf allen Vieren vor der Säerin um Vergebung zu bitten.

Mein Herr erzählte von dem Gerücht, dass im Lager des Krieges unbekannte Blumen an der Stelle wuchsen, wo der Altar erschienen war. Neugierig schenkte sie uns ihre Aufmerksamkeit. Als mein Herr ihr dann lächelnd den Samen einer dieser Pflanzen übergab, sprang sie auf und lief behände die Himmelstreppe hinab, um dann den Samen vor unseren Urtum einzubauen.

Der Weg hinunter war zwar nicht so schwer, aber brauchte mehr Aufmerksamkeit. Also war der Weg nach unten irgendwie genauso anstrengend, wie der Weg nach oben. So ist es doch eine Prüfung für Körper und Geist, wenn man die Himmelstreppe heil wieder runterkommen will.

Die Belohnung dafür war, dass der Wächter des Urtum uns anblickte, aber nicht mit uns sprach. Also zogen wir wieder von dannen, um am Nachmittag mit Wasser vom Brunnen in der wandernden Stadt wiederzukommen, um den Samen zu gießen. Unsere Druiden taten ihr Möglichstes und brachten den Samen zum Keimen und dann endlich sprach der Urtum mit uns, um wenige Stunden später für immer und ewig aus unserer Mitte gerissen zu werden.

An dem Punkt wo ich eigentlich stehengeblieben war, rief mein Herr, um uns von dem Vorhaben der Säerin zu berichten. Wir sollten den Botaniker kontaktieren, er solle alle drei Samen der unbekannten Pflanzen besorgen und auch wenn er auffliegen würde, sollte er einen Weg finden, um so schnell wie möglich hier her zu kommen. Ich sollte mir einen Trupp zusammenstellen und genug Wasser vom Brunnen hier her bringen, sicherheitshalber sollte ich auch Wasser vom großen Fluss holen und von dem anderen Bach, der das Gebiet des Wettstreites auf der anderen Seite begrenzte.

Den Schreiber beauftragte er mit einem weiteren Trupp Erde, Lehm, Sand und Torf von allen vier Himmelsrichtungen zu holen.

Dann ging mein Herr zu seinen Druiden und bat sie, die Energielinien auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen und sie sollen eine weitere Schnittstelle finden, wo sich die Linie unseres Aeon mit der Linie des Aeon unserer direkten Widersacher noch einmal kreuzen würde.

Am Ende dieses Tages kamen wir alle wieder zusammen. Die Säerin prüfte die Erden und das Wasser und nahm die Samen entgegen und ging sich mit den Wächtern der verbleibenden Urtümer beraten...