In der Früh hatte ich leider keine Zeit mehr ein paar Seiten zu schreiben, weil der Busch es sehr eilig hatte.
Essen tun die Büsche auch nichts. Ich möchte auch einmal nur von Wasser und Sonnenstrahlen leben können. So richtig Verständnis dafür hatte der Busch nicht gerade, aber da beißt die Maus kein Faden ab, ich muss essen.
Zum Glück machten wir uns bald an den Abstieg, vom scheinbar letzten Berg hinab und liefen dann einen kleinen Waldpfad hinab, bis der Weg eben dahin ging. An diesem Tag war ich so ausgelaugt, ich konnte mit dem Tempo des Busches kaum mithalten. Es wäre ja nicht auszumalen gewesen, wenn seine Beine vollständig gewesen wären.
Deshalb sind die Zeilen heute recht kurz und ich hoffe ich komme morgen dazu, noch meine Geschichte fertig zu erzählen, was beim Wettstreit noch geschah und wie ich dich endgültig aus den Augen verlor, geliebte Erika.
Mein Herz trauert jeden Moment, mein Hirn weiß, ich werde dich nie wieder sehen, doch mein Herz will es nicht glauben. Ich vermisse dich, meine Butterblume.
Naja was soll ich sagen, mit Buschreisen zu reisen geht wesentlich schneller, auch wenn mein Busch nur auf halber Flamme läuft.
Ich hab ihm aus Teilen meines Lederschurzes zwei Lederschuhe für seine Stumpen gemacht und er zeigte mir den Weg nach oben. Die Mapori müssen sich für diese Treppe ein paar Uth von der Nachbarinsel ausgeliehen haben. Die Treppe war atemberaubend, fast so beeindruckend wie die Himmelstreppe.
Oben angekommen humpelte der Busch voran. Er führte mich über eine Hügelkette und die Aussicht war noch wahnsinniger als alles was ich bis jetzt erblicken durfte.
Den Sumpf im Rücken lag ein Meer von Bäumen vor mir. Zu Weilen ragte ein gigantischer Baum aus dem grünen Meer und blickte erhaben zu mir herüber. Jetzt erst verstand ich, wie viele Urtümer diese Insel eigentlich haben musste.
Und diesen einen, der zwei Leben verbraucht hatte um keimen zu können und dem jeder noch etwas von sich mitgegeben hatte, damit der Spross durch die heilige Erde sprießen konnte, stand eigentlich nur im Schatten dieser Giganten.
Langsam gehen mir ehrlich die Worte aus für diese unbeschreibliche Schönheit dieser Einzigartigkeit der Natur, die hier auf Secundum vor mir lag.
Der Busch führte mich über einen weitgezogenen Bergrücken und am Ende des Tages saßen wir am Fuße eines Gipfelfelsen mit Sicht auf die Ebene und ganz am Ende hätte man vielleicht schon die Baumwollplantage erkennen können, wenn man von den enormen Bäumen nicht völlig abgelenkt gewesen wäre.
Geliebte Erika, schade dass du das nicht sehen kannst, was ich hier sehe. Ich hätte dich sehr gerne bei mir gehabt, aber ich liege neben diesem Busch und versuche bei seinem Schnarchen ein Auge zu zu kriegen.
Guten Morgen, Sonne meines Herzens und Grund warum ich heute überhaupt aufstand.
Es war alles nass und klamm. Die Wunden, die ich von dem Blutegelbefall erlitten hatte, hatten sich an einigen Stellen entzündet, meine Kleidung war klamm und ich fror. Im Schatten der Felsenklippe würde ich heute auch keinen Sonnenstrahl mehr abbekommen.
Ich stand widerwillig auf und vernaschte die restlichen Heidelbeeren, auch wenn sie im Morast gebadet ganz schön scheiße schmeckten. Besser als nichts.
Ich lief zeitig los und hoffte einen Weg nach oben zu finden. Die Mapori hatten doch überall Treppen versteckt, warum auch nicht hier.
Aber warum einfach wenn es auch umständlich geht. Ich hatte den Eindruck einen Weg über die Klippe gefunden zu haben und rannte unbedacht in ein morastiges Loch. Erst viel zu spät erkannte ich, dass sich in dem Morast auch Modder befinden musste. Der schillernde Schleim, war mir gar nicht aufgefallen, erst als ich ihn direkt vor Augen hatte, fiel mir dass schummrige Leuchten auf.
Ich versuchte mich so schnell wie möglich aus dem Loch ziehen zu wollen und griff nach ein paar Ästen, die aus dem Morast ragten.
Als sich die Zweige bewegten, machte ich mir zunächst keine Gedanken. Doch als der Kopf eines Busches aus dem Morast auftauchte, blieb mir fast das Herz stehen.
Erst dachte ich mir, was für ein Glück, dass er sich nicht bewegte, aber als ich über ihn hinweg geklettert war, konnte ich den Busch nicht bei dem Modder lassen. Vielleicht lebte er ja noch.
Ich versuchte ihn also aus dem Dreck zu ziehen, doch er hatte sich wohl irgendwo verkeilt, also zog ich wie ein Stier an und es kam wie es kommen musste, ich flog mit samt dem Busch ein paar Meter und landete in einem kleinen Wasserloch. Was unser beider Glück war, das Wasser war nicht vom Modder befallen und wusch uns quasi wieder rein. Was ich nicht geahnt hatte, der Busch kam in dem Moment wieder zu sich, als das Wasser ihn vom Modder befreit hatte.
Ich versuchte ihn so gut es ging zu beruhigen, aber was sagt man zu einem wildgewordenen Busch, der gar nicht reden konnte.
'Ich kann dir helfen!' redete ich immer wieder auf ihn ein. Er hörte mich scheinbar nicht und versuchte auf mich loszugehen. Ich schwamm durch den Tümpel, um von dem Busch fortzukommen und er setzte mir nach. Auf der anderen Seite des Tümpels schaffte ich es äußerst behände an Land zu kommen und konnte den Busch abhängen.
Er wurde auch immer langsamer und dann bemerkte ich, dass seine Gliedmaßen teilweise abgefressen waren. Ich wunderte mich um mich selbst, als ich ihm meine Hand hinhielt, um ihm aus dem Tümpel zu helfen.
'Der Modder ist abgewaschen, er wird dich hoffentlich nicht weiter auffressen.' rief ich.
Der Busch ließ sich doch tatsächlich von mir helfen und als wir beide völlig am Ende unserer Kräfte endlich an Land waren, konnten wir beide sehen, was der Modder diesmal angerichtet hatte.
Die Beine des Busches waren halb abgefressen und einer seiner Arme lag nur noch in Fasern vor mir.
'Ob wir dich wieder hinkriegen, kann ich dir nicht versprechen!' meinte ich und goss ihm mein letztes Wasser über den Arm. Doch zu retten war der Arm nicht mehr, aber ich wollte ihm die Hoffnung nicht ganz rauben.
'Mit genug klarem Wasser kriegen wir das wieder hin und bei den Plantagen kann man uns bestimmt helfen! Meinst du, dass wir es bis dahin mit dir schaffen?'
Der Busch gab ein grunzendes Geräusch von sich und versuchte sich aufzustemmen. Er zeigte dabei in eine Richtung und ich sah einen kleinen Wasserfall.
'Ich lauf schon mal vor und hole frisches Wasser, lauf nicht weg, wir kriegen dich schon weder hin!'
Und sagen wir mal so, der Busch liegt nun neben mir und schnarcht. Ich wusste bis jetzt nicht, dass Büsche schnarchen können, aber er tut es. Aber solange er Geräusche von sich geben kann, wird er noch am Leben sein.
Dann bin ich morgen mal gespannt, ob wir einen Weg nach oben finden. Aber ich denke der Busch kennt sich hier wesentlich besser aus als ich.
Tag 13 Die Nacht war kalt, ganz ohne meine Sachen und niemand der mich wärmt. Sie waren am Morgen auch noch ganz schön feucht, aber was muss das muss. Das Frühstück war eher karg und die Froschsuppe schmeckte echt gruselig.
Ich packte zusammen und machte mich auf, immer meinen Orientierungspunkten entgegen. Dieser Teil des Sumpfes war ziemlich leicht zu begehen.
Der Geruch der Pilze ging mir nicht aus der Nase, doch ich fand keinen Einzigen. Schade eigentlich, ich hatte unglaubliche Gelüste auf irgendwas mit Pilzen. Die Wege wurden immer breiter und gaben mir den Anschein, als würde ich auf den Mittelpunkt des Sumpfes zusteuern. Das war dann auch mein Verhängnis. Ich kam ein Wenig von der Richtung ab, in die ich eigentlich wollte. Aber ich war ziemlich sicher, dass die Wege von allen Seiten zum Mittelpunkt liefen.
Naja, den Mittelpunkt habe ich gefunden. Und ehrlich hätte ich nicht so Gelüste auf irgendwas Totes in Pilzragout gehabt, wäre ich nie wieder heraus gekommen.
Nachdem ich leider keine Pilze gefunden hatte, wurde der Bewuchs immer weniger und irgendwann sah es aus wie zuhause. So weit das Auge reichte. Flechten und Heidegras. Der Geruch wurde immer süßer und als ich auf die ersten Heidelbeeren stieß, war ich noch hellauf begeistert.
Doch als meine Finger blau und mein Magen voll waren, waren immer noch so viele Heidelbeeren da. Der Überfluss war mir schon fast unheimlich.
Und es kam wie es kommen musste, ich war doch nicht allein hier. Ich hatte den Verfolgungswahn schon fast wieder abgelegt, als mich eine tiefe Stimme von hinten überraschte, als ich gerade Heidelbeeren in die leeren Riesennüsse brockte.
'Wie wollt ihr das jemals wieder in den Kreislauf zurückführen?'
Zurecht erwischt drehte ich mich um und eine ältere Mapori stand vor mir, auf einen krummen Stock gestützt. Sie hatte eine Augenbraue hochgezogen und blickte mich abschätzig an. Sie erinnerte mich irgendwie an die Säerin, auch wenn diese Mapori viel viel älter zu sein schien.
'Mein Name ist Elmar Mägdefessel, Metzger seines Zeichens. Verzeiht mir, aber nach Tagen des Hungerns haben mir eure süßen Beeren wahrlich das Leben gerettet.'
Sie war von meiner kurzen Ausführung nicht gerade beeindruckt und wollte sich schon wieder umdrehen. Hinter ihr sah ich wie sich das Heidekraut erhob. Wir waren nicht allein, ein Busch nach dem Anderen erhob sich aus dem Heidekraut und funkelte mich bedrohlich an.
'Ich wäre mit ein paar Pilzen wahrlich zufrieden gewesen….!' versuchte ich mich weiter zu erklären, bevor ich von ihr unterbrochen wurde.
'Pilze!' sie blickte mich verklärt an und machte eine abwinkende Handbewegung. Die Büsche legten sich wohl wieder schlafen. 'Wie kommt Ihr auf Pilze?'
'Als ich unweit eines kleinen Tümpels aus dem Morast geklettert war, roch es nach Pilzen. Ich fand aber keinen Einzigen, aber gerochen habe ich sie.'
'Ja, wirklich!' meinte sie und drehte sich einfach um und machte Anstalten zu gehen.
Puh, nochmal Glück gehabt, würde ich mal sagen. Aber sie drehte sich nochmal um und fragte: 'Was macht er eigentlich in meinem Sumpf?'
'Wenn ich nicht um Erlaubnis gefragt habe Euren Sumpf durchqueren zu dürfen, dann tut es mir wahrlich leid. Ich habe mich auf dem Weg zu der Baumwollplantage wohl verlaufen.'
'Ach, zu meinen Schwestern wollt ihr, da geht es da lang!' meinte sie und wies in Richtung der Felsformation, die ich schon seit Beginn des Sumpfes im Blick hatte. Ich blickte in die Richtung der Felsen und als ich mich wieder umdrehte, war sie einfach gegangen. Ein paar der Büsche standen wieder auf und folgten ihr, andere blieben liegen.
So schnell es mir möglich war, machte ich mich auf die Socken. Nur blickte ich nun ganz genau worauf ich nun meine Füße setzte. Mit so einem Busch wollte ich mich gar nicht anlegen.
Ich versuchte so schnell wie möglich von den Heidelbeeren fortzukommen und von der merkwürdigen Herrin des Sumpfes, so dass ich wirklich und wahrhaftig der Klippe immer näher kam.
Der Sumpf wurde immer feuchter und nässer und am Ende watete ich wieder durch den Dreck. Der Vorteil war, dass ich die Felsen im Auge hatte, das gab mir Hoffnung.
Auch wenn ich es an diesem Tag nicht mehr ganz hinaus schaffen würde, würde ich mich heute Nacht im Schatten meines stillen Begleiters zur Ruhe legen.
Ich fand doch tatsächlich eine halbwegs trockene Stelle, wo ich zumindest ein paar Stunden schlafen konnte, auch wenn ich heute Nacht nur ein kleines Feuer zustande brachte, die paar Zeilen gingen sich noch aus, geliebte Erika.
Geliebte Erika, Sonne meines Herzens, wenn du nur bis an dieses verschlammte Drecksloch scheinen könntest. Ich fluche zu viel, aber der Morgen war grauenvoller, als der letzte Tag am Strand.
Das Abkochen von Wasser beanspruchte die meiste Zeit und meine Rast war nun auch noch mit wenig Schlaf gesegnet. Ich hatte gestern bei weiten nicht alle Frösche erwischt. Hätte ich sie doch niemals alle Essen können, so viele waren es. Und so laut waren sie, als sie mich in den frühen Morgenstunden weckten.
Ich tötete mir ein paar zum Frühstück und ging nur mit einer halben Wasserration los. Ich konnte das Gequake nicht mehr hören.
Die Felsspitze immer in Blick, versuchte ich die Richtung zu halten, doch der Nebel war grausam zu mir und so musste es natürlich soweit kommen, dass ich mich verlief.
Nun kamen die Muscheln zum Einsatz. Ich ließ von Zeit zu Zeit eine Muschel fallen. So dass ich bemerken würde, wenn ich an einer Muschel vorbei lief, muss ich am diesem Ort bereits gewesen sein.
Durstig irrte ich durch den Sumpf und blieb immer auf den Wegen, die nicht im Morast endeten, in der Hoffnung ich würde zu einem größeren Baum oder einen Hügel kommen, von dem aus ich eine bessere Sicht hatte. Doch weit gefehlt, der Bewuchs wurde immer weniger und die Büsche immer kleiner und wenn die Oberfläche Unregelmäßigkeiten aufwies, dann ging es eher in die Tiefe.
Der Gestank aus dem Moor und der dichte Nebel zwang mich irgendwann auf die Knie und so kroch ich weiter bis ich nur noch waten konnte. Ich hoffte inständig die wasserdichte Verpackung des Tagebuches würde halten, weil auch wenn ich meinen Beutel über den Kopf hielt, tauchte ich doch einige Male unter. Dass ich auf meine alten Tage noch einmal Schwimmen lernen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Mehr schlecht als recht bewegte ich mich durchs trübe Wasser.
Ich bekam den widerlichen Geschmack des Schlamms nicht mehr aus meinem Mund und den Geruch nicht mehr aus meiner Nase.
Wäre ich doch nur durch den Wald gegangen, die Säerin hätte mich doch bestimmt gewähren lassen.
Völlig am Ende meiner Kräfte stieß ich gegen irgend etwas Hartes. Ich rieb mir mit einer Hand den Schlamm aus dem Gesicht und sah einen alten vermoderten Baumstamm vor mir. Ich legte meine Tasche darauf, um meinen anderen Arm zu entlasten.
Hinter dem Baumstamm war wieder fester und vor allem trockener Boden. Farnartige Gewächse wuchsen überall und was mich noch mehr verwunderte war die Größe dieser Gewächse. Es roch nach Moos und frischen Pilzen. Ich schüttelte den Kopf. Ich dachte meine Sinne stellten mir einen Streich, ich bin doch bis eben noch im wahrsten Sinne des Wortes durch die Scheiße gewatet und mitten im Sumpf gibt es eine halbwegs trockene Stelle.
Ich kletterte aus dem Morast über den Baum und kroch wie ein Tier über den moosigen Boden. Bah. Ich stank erbärmlich und alles an mir war nass und schlammig. An meiner Kleidung hing allerlei Unrat. Ich musste wie einer dieser Büsche aussehen, also ging ich weiter, weil es konnte ja immer noch sein, dass ich nicht alleine war in diesem Sumpf.
Ich lief solange bis der meiste Schlamm von mir gefallen war und blickte mich immer wieder um. Ich war allein. Gut so. Ich konnte Wasser plätschern hören und sah Enten in der Nähe aufsteigen. Ich lief noch eine Weile und kam an einen Tümpel. Das Wasser schien sauber zu sein. Ich trank es trotzdem nicht. Ich beschloss erst Feuer zu machen.
Dann sammelte ich trockenes Holz für Feuerholz. Ich machte ein Feuer, setzte Wasser auf. Ich zog meine Sachen aus und als sich sah was sich an mir festgesetzt hatte, wurde mir speiübel. Blutegel.
Nachdem ich kein Salz hatte, musste ich die Biester mit einem brennenden Stock entfernen. Ich beschloss mich und meine Sachen zu waschen. Also lief ich splitterfaser nackt und blutüberströmt zum Tümpel und wusch mich. Nachdem ich meine Sachen halbwegs sauber hatte, hing ich sie zum Trocknen auf.
Ich trank lauwarmes Wasser und setzte Neues auf. Dann wickelte ich das Tagebuch aus dem Leder und blätterte durch die Seiten. Zumindest konnte man noch lesen was ich schrieb, ob wohl es Wasser gezogen hatte.
Ich suchte mir etwas zu Essen. Enteneieromlette und Froschschenkel. Besser essen die feinen Herren auch nicht, geliebte Erika. Wie gerne würde ich mit dir zusammen speisen. Aber ich sitze hier und friere. Die Bisse der Blutegel jucken schrecklich. Ich hab nicht mal die Kraft noch mehr zu schreiben, obwohl ich noch so viel zu erzählen hatte. Morgen war auch noch ein Tag, hoffte ich.
Hoffnungslos verliebt und verirrt im Labyrinth deines Herzens,