Tag 11 Irgendwann muss ich doch eingenickt sein, geliebte Erika. So hab ich mich gestern gar nicht von dir verabschiedet. Aber zumindest hab ich ein paar Stunden geschlafen.
Mein Frühstück dauert eh ein wenig länger, weil ich mein Wasser nun immer abkochen muss, bevor ich es trinke. Die stinkende Plörre, die sich von dem sogenannten Modder kaum unterscheidet, würde ich am liebsten gar nicht trinken. Aber verdursten will ich auch nicht, deshalb hab ich das Wasser gefiltert und abgekocht. Jetzt warte ich gerade, bis es sich soweit abgekühlt hat, dass ich es umfüllen oder trinken kann.
Also hab ich noch ein wenig Zeit meinen Bericht weiterzuschreiben:
Während die Säerin sich mit den Wächtern beriet, kamen die Druiden ganz aufgeregt zu meinem Herren. So aufgeregt ehrwürdige, alte, weißbärtige Männer eben seien können.
Sie hatten herausgefunden, dass die Aeonenlinie sich durch den Vorfall mit dem abhandengekommenen Urtum verschoben hatte und sie hatten unweit des Maporilager eine neue Schnittstelle gefunden.
Die Alchemisten hingegen hatten herausgefunden, dass man mit Unmengen an Wasser dem schillernden Schleim zu Leibe rücken konnte. Also hatten alle, die eh nur untätig herumsaßen eine Kette zum Bach gebildet und es wurde nun Wasser geschöpft.
Als die Säerin wieder in unsere Mitte trat, war der Stumpf des verschwundenen Urtum soweit vom diesem Modder befreit, dass man die Ausmaße der Zerstörung nun vollends erblicken konnte. Und rings um den Stumpf hatte sich eine riesige Schlammlache gebildet.
Mit Tränen in den Augen wankte die Säerin zu dem Stumpf hinüber und kurz bevor sie zitternd auf die Knie stürzen konnte, fing mein Herr sie auf, riss sich seinen Umhang vom Hals und bevor er mit ihr zusammen in den Matsch sank, warf er seinen Umhang vor sich auf den Boden.
Er flüsterte ihr zu: ‘Wir wissen nicht, ob dieser leuchtende Schleim auch für euch gefährlich ist.’
Einer der Mapori kam zu ihnen hinüber und brachte ihr ein Pflänzchen: ‘Anemone, schau wir haben das Pflänzchen hier retten können. Sie nennen es Blutströpfchen. Aus dem Blütenstaub und dem Nektar kann man einen Trank machen, der Blutungen stillt und Schmerzen lindert.’
‘Taxus, mein Dank ist deiner!’ flüsterte die Säerin und nahm das Pflänzchen an sich.
‘Was sich der Aeon des Krieges alles für seine Mannen einfallen lässt.’ rief mein Herr und blickte die Säerin an.
Sie versuchte zu lächeln, doch ihr Blick ging blitzschnell wieder auf den Boden, als sie sah wie sich der Stoff des Mantels unter ihren Knien langsam auflöste.
Sie sprang auf, dabei fiel ihr das Pflänzchen aus der Hand und sie zerrte meinen Herren vom Mantel. Mein Herr hatte das Pflänzchen aufgefangen, verlor es gleich wieder, dabei kamen sie kaum zum Stehen und drohten wieder in den Schlamm zu fallen. Und nun kam ich ins Spiel ich warf mich mit meinem ledernen Schurz zu Boden, so dass sie zwar nicht weicher fielen, doch sicherer lagen als auf dem Leinenmantel meines Herren und ich fing sogar das arme kleine Blutströpfchen auf.
Der Schreiber stand an den Überresten des Mantels und fragte: ‘Herr, aus welchem Material war der Mantel?’ Dann stocherte er im Matsch herum. Taxus hatte mir das Blutströpfchen mittlerweile wieder abgenommen und blickte mich grimmig an. Als ob ich mit meinen groben Fingern das Pflänzchen zerdrückt hätte. Den Mapori kann man es ja wirklich nicht recht machen.
‘Er war aus edelsten Leinen gefertigt und meine Schwester hatte Nächte lang unser Wappen drauf gestickt.’ meinte mein Herr und versuchte sich aufzurappeln, um dann der Säerin aufzuhelfen.
‘Das Wappen ist noch da!’ rief der Alram.
Sein Mantel hatte sich mittlerweile vollends aufgelöst, dass Einzige was übrig blieb, waren die Fäden der Stickerei, der lederne Kragen und die metallene Schließe.
‘Sie hat es aus Seidenfäden gestickt, die ich ihr von meinen Reisen mitgebracht hatte!’ rief mein Herr eher beiläufig, da die Saerin wieder ins Straucheln kam. Er stürzte wieder auf die Knie und sie fiel in seinen Schoss.
‘Ich glaube der Schleim hat es auf alle Pflänzchen abgesehen.’ keuchte sie und zog schmerzerfüllt ihren ledernen Rock ein wenig hoch.
Taxus stand wieder neben ihnen und hatte einen Eimer mit Wasser in den Händen. ‘Auch wenn mich euer Zorn treffen wird, gießen ist das beste Mittel gegen den gefräßigen Schleim!’
Als sie ihre Knie freigelegt hatte, konnte man die Ausmaße sehen, was man an ihrem schmerzerfüllten Gesichtsausdruck schon hätte erahnen können. Der Schleim hatte sich selbst im verwässerten Zustand durch ihre Haut gefressen.
‘Taxus, ich erlaube dir mich zu gießen.’ zischte sie zwischen ihren geschlossenen Zähnen hindurch.
Taxus nickte und goss ihr das Wasser aus dem Eimer über die Knie. Dann kam einer der Alchemisten meines Herren angerannt. Ich glaube es war Fendrich Schweser Kopfmüller.
‘Mein Herr, das habe ich befürchtet. Ich habe bereits versucht den Mapori zu erklären, dass es besser wäre mit ledernen Schuhen über den Morast zu laufen. Leder greift der Schleim nicht an.’ Dann pfiff er und fuchtelte mit den Armen. ‘Herr, bitte tragt sie ein Stückchen weiter von diesem Schlamm fort.’ Dann machte er eine ehrerbietige Pause und fuhr fort. ‘Werte Rose der Mapori erlaubt uns bitte Euch auch die Füße zu waschen!’
Sie nickte nur, bevor ihr die Sinne schwanden und als sie wieder erwachte, lag sie fern ab vom Stumpf des zerstörten Urtums unter einem aufgespannten Tuch auf einer Bahre.
Ich war indes unterwegs gewesen meinem Herren eine neue Hose zu besorgen, weil seine Alte ihm schier vom Körper gefallen war und kam genau in dem Moment wieder zu meinem Herren, als sie wieder erwachte.
Doch ich wollte sie nicht stören. Mein Herr wusch ihr gerade die Füße und Taxus half ihr dabei sich langsam aufzurichten. Ihre Knie waren in saubere Tücher gewickelt. Taxus hatte mittlerweile lederne Handschuhe an.
‘Ich denke euch habe ich die Erlaubnis nicht gegeben!’ zischte sie meinen Herren an. Mein Herr lies blitzschnell den Schwamm fallen und lies dann ihre Füße ganz langsam ins Wasser zurück sinken, dabei fing er an zu stottern: ‘Verzeiht meine Dreistigkeit und verzeiht vor allem meinen Aufzug, ich hatte nur Euer Wohl im Sinn.’
Hätte er es nicht gesagt, dann hätte sie es wahrscheinlich gar nicht bemerkt, dass er nur in seiner seidenen Bruche vor ihr kniete.
‘Verzeiht werte Rose der Mapori, ich traute mich nicht eure Füße zu wässern, weil eure Mapori mich so grimmig ansahen, als ich den Schwamm ergriff.’ rief der Alchemist.
Sie blickte sich um und da einige ihrer Mapori, die ebenfalls unter dem Sonnensegel lagen, bereits behandelt wurden, nickte sie ihm zu. Aber dann zog sie eine ihrer grünen Brauen hoch und blickte Taxus an.
Taxus begann ungefragt einfach zu reden: ‘Ich saß die ganze Zeit hier und habe über Euch gewacht und darauf geschaut, dass die Herren hier nichts Unziemliches trieben. Nun ist es so, der Schleim greift alles Pflanzliche an, auch wenn es bereits entwurzelt und verarbeitet ist. Deshalb kniet unserer verehrter Quain hier in seinem Untergewand. Dann haben wir heraus gefunden, dass der Schleim auch keine Magie mag...’
Die beiden Wächter standen plötzlich vor ihr und nickten.
Sie schüttelte den Kopf und blickte in die Runde. Quain stand auf und ging rückwärts, bis er gegen mich lief. Ich drückte ihm seine wollene Hose in die Hand. Er schüttelte ebenfalls seinen Kopf und ging weiter rückwärts.
Am Ende blickte sie Taxus an, der bereits auf gestanden war.
‘Es ist an der Zeit!’ meinte die Säerin völlig überflüssig. Alle die im Umkreis standen hatten gehört, was die Wächter sagten, obwohl diese ihre Lippen nicht bewegt hatten.
Die Säerin machte Anstalten aufstehen zu wollen, doch die Verbände hinderten sie daran. Beim nächsten Schritt stolperte sie über den Wassertrog, in dem sie bis eben noch ihre Füße hatte. Mein Herr zog sich in diesem Moment endlich seine Hose an, deshalb war es an mir die Säerin aufzufangen.
Sie blickte mich völlig entsetzt an, doch ich grinste ihr entgegen und hob sie aus der Wanne und stellte sie auf beide Beine. Wie leicht sie war. Die Wächter in meinem Rücken dachten etwas, was über meinen Kopf hinwegflog und mir dabei einen kalten Schauer über den Rücken gefrieren lies.
‘Mein Herr hat mich auch gebeten euch lederne Schuhe zu bringen!’ meinte ich und zog die Schuhe aus der Tasche. Es war gar nicht so einfach so kleine Schuhe aufzutreiben, ich hoffe Erika du verzeihst mir mittlerweile, dass ich deine Schuhe mitgenommen habe. Ihr hattet beide die selbe Schuhgröße. Ich war sehr in Eile und ich wollte dich nicht wecken!
Ich durfte dann der Säerin die Schuhe anziehen und mein Herr war mittlerweile auch wieder vollständig bekleidet. Bevor ich fortfahren kann, muss ich aber dann mal los…
… in der Dämmerung begannen nun endlich die Vorbereitungen für das Ritual, an der Stelle, die die Druiden gefunden hatte. An der Stelle wo sich nun die Energielinien kreuzten. Der Platz wurde gereinigt, gesegnet und alle Ingredienzien wurden bereit gestellt. Es wurde ein Ring aus Kriegern der Mapori gemischt mit unseren Kriegern aus nahezu allen Lagern mit dem Rücken zum Ritualplatz aufgestellt. Nur einige wurden mit dem Gesicht zum Ritualplatz platziert, darunter waren mein Herr, seine Druiden, ein paar Magier, der Fendrich und Taxus und der Botaniker. Ich stand mit meinem Herren Rücken an Rücken. Die Säerin pflanzte zu jedem unsere Füße einen Samen in den Boden, einen äußeren Kreis und einen inneren Kreis. Die beiden Wächter kamen mit dem Jungen Juniper in die Mitte geschritten. Ich hatte ihn nur kurz gesehen, als die beiden Wächter mit ihm an mir vorbei geschritten waren.
Das was bei den beiden Wächtern irgendwie völlig selbstverständlich war, fiel mir nun wie Schuppen von den Augen. Sie redeten nicht. Ja, das taten sie wahrlich nicht. Und jetzt wo sie den Jungen Juniper an mir vorbei führten, war es wie ein Schlag ins Gesicht. Ich dachte, dass sich im Laufe der Jahre ihr Mund mit Wurzelwerk verschlossen hatte. Weil sie so nah am Baum waren, dass man sie kaum mehr davon unterscheiden konnte. Nein, sie hatten ihm den Mund mit Wurzelwerk zugenäht.
Juniper hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden und tat, was man von ihm erwartete. Stumm, bis zu seinem Lebensende.
Flankiert von den beiden Wächtern kniete er sich auf den Boden. Er hatte einen abgenutzten Holzscheit und fing an ein kleines Loch auszuheben. Dann wurde der Leichnam des Wächters in den Kreis gebracht und die beiden Wächter gruben eine große Grube. Als die Beiden mit der ersten Grube fertig waren, grub einer der Beiden eine zweite Grube und der andere Wächter schritt den inneren Kreis ab und seine Gedanken schwappten in unsere Köpfe. Die Säerin wiederholte seine Worte, wiedermal völlig unnötig, hatte wir seine Aufforderung doch bereits vernommen. ‘Blut von eurem Blute…!’
Als der Wächter an meinem Herrn vorüberging versuchte mein Herr einen Schritt nach vorne zu machen, doch der Samen zu seinen Füßen hatte bereits gekeimt und die Triebe schlangen sich um seine Füße, so dass er nicht weitergehen konnte. Er wehrte sich gegen die Wurzeln und fiel dabei auf die Knie. Ich linste nach hinten und sah, dass die Säerin zu ihm hinüber getreten war, sie strich ihm über die Wange und nickte ihm zu.
Die Wächter waren mittlerweile weitergegangen. Einer nach dem Anderen wurde von den Wurzeln in die Knie gezwungen. Bei dem einem oder anderen Druiden zögerten die Pflanzen.
So wie es kommen musste, waren sie beim Botaniker angekommen. Er strich sich ganz ruhig die Ranken von den Beinen und schritt in den Kreis, um seine Grube zu graben.
Mein Herr konnte aus seiner derzeitigen Position nicht entfliehen und musste mit ansehen, wie sein Botaniker sein eigenes Grab schaufelte. Als er fertig war, stellte er sich hin und blickte den Wächter zu seiner Linken an, zwischen Ihnen lag der Leichnam des Wächter des abhandengekommenen Urtum und der junge Juniper und der andere Wächter, der übrigens Dianthus hieß, hoben den Leichnam in die Grube. Juniper schaufelte liebevoll Erde auf den toten Wächter.
Ich war mittlerweile aufgrund der Ranken auch auf die Knie gesunken und versuchte mich immerzu umzudrehen, um etwas zu erhaschen, was im Kreis geschah. Ich würde es noch bitter bereuen, weil die Genickstarre schleppte ich die nächsten Tage mit mir rum.
Als Juniper fertig war, setzte er einen Samen auf das frische Grab und die Säerin goss den Keim, auf das ein Spross wachsen sollte.
Ich hatte im Übrigen selten so ein wortkarges Ritual erlebt. Nur die Trauergesänge der Mapori Weibchen begleiteten das Geschehen.
Der andere Wächter und der Botaniker ließen jeweils einen Samen in das kleine Loch fallen, dass Juniper zuerst gebuddelt hatte.
Dianthus stellte sich breitbeinig über das Grab seines Freundes und berührte den Botaniker und den anderen Wächter an der Schulter, beide nickten. Dianthus schritt einen Schritt zurück, streckte seine Arme aus und schon schossen Ranken aus seinen Fingerspitzen und durchbohrten den Botaniker und den Wächter.
Mein Herr bäumte sich nochmal auf und versuchte sich von den Ranken zu befreien, doch sie hielten ihn unerbittlich fest. Als das Blut des Botanikers über die Hände des Wächters ran, bettete er die beiden Körper fast schon zärtlich in ihre Gräber. Dabei befreite er die mittlerweile leblosen Körper der beiden freiwilligen Opfer von seinen todbringenden Fingerspitzen. Juniper und Dianthus schaufelten die Gräber zu, setzten jeweils einen Samen ein und legten am Ende selbst die Grasnarbe wieder auf die Gräber. Am Ende blieb nur das kleine Loch übrig, das Juniper vorhin gegraben hatte.
Der Phönix der Asche stand plötzlich vor dem äußeren Kreis und nickte der Säerin zu, er machte sich ein paar Notizen und verschwand wieder.
Nun warf jeder der Beiden auch einen Samen in das kleine Loch und stellten sich links und rechts von dem Loch auf.
Die Säerin goss indes die andern beiden Gräber und schritt dann zu meinen Herren hinüber und wies auf das kleine Loch.
Die Ranken ließen ihn endlich frei, doch er blickte die Säerin fragend an. Sie hielt ihm die Hand hin und gab ihn zu verstehen, dass es nun an ihm war seinen Teil dazuzugeben.
Mein Herr stand mit Tränen in den Augen auf, blickte mich kurz an und ging dann zu Juniper und Dianthus hinüber. Er zog seine Fibel von seiner Tunika und rammte sich die Nadel mehrmals in die Handfläche. Dann ließ er die Fibel einfach fallen und presste seine verletzte Hand zu einer Faust zusammen, bis sein Blut in das Loch tropfte. Die Säerin geleitete ihn an seinen Platz zurück und brachte den Nächsten vor das Loch im Boden.
Es war mittlerweile schon dunkel geworden und so brachte jeder an diesem Abend sein Opfer dar.
Am Ende kam Erde drauf und die Säerin goss die Gaben.
Schrieb ich doch an diesem Tage zweimal in deine Seiten. Nachdem ich die Hälfte dieser Geschichte geschrieben hatte, machte ich mir wieder Notizen über die Wege des Sumpfes. Ich hatte mir auch die Felsformationen in der Ferne ganz genau aufgezeichnet, doch im Morgennebel konnte ich nur eine der Spitzen der Klippe erkennen, die auch am anderen Ende des Sumpfes den Morast begrenzte. Aber das genügte mir.
Ich lief am 11. Tage in den Sumpf und ich war mir nicht sicher, ob ich am Ende dieses Tages immer noch im Sumpf sein würde, oder ob ich diesen Schlamm bereits hinter mir gelassen hatte. Als der 11. Tag verging saß ich immer noch im Sumpf. Es ging alles ziemlich langsam voran, weil der Nebel mich ziemlich behindert hatte.
Ich war am Ende dieses Tages, völlig entkräftet und durchnässt irgendwo angekommen, wo ich zumindest Rast machen konnte, ohne über Nacht im Schlamm zu versinken. Ich versuchte ein kleines Feuerchen zu machen und fing mir widerwillig ein paar Frösche, die gar nicht mal so scheiße geschmeckt haben.
Wie gerne wäre ich bei dir, ich vermisse dein leises Schnarchen.
Tag 10 Und weiter gehts. Ich bin heute morgen den Felsen hinaufgeklettert und hab ein paar Vogeleier zum Frühstück verspeist. Ich konnte
den Sumpf nicht umgehen, weil der Felsen den Sumpf einrahmte und die Klippen am Sumpfrand viel zu steil abfielen. Der Sumpf hatte sich im Delta eines enormen Flusses gebildet, dessen viele Arme sich tief durch die Landschaft gefressen hatten.
Ich blickte den halben Tag wie ein Wahnsinniger auf den Sumpf und am Ende hatte ich einen Plan. Es war kaum zu glauben, aber es gab tatsächlich einen Weg durch den Sumpf. Einen Weg, viele Wege. Es war ein Labyrinth von unzählig vielen Möglichkeiten. Ich habe mir alles so gut wie es mir möglich war aufgemalt.
Halbwegs frohen Mutes kletterte ich also wieder vom Hügel hinunter und verpackte zuerst alle Papiere in ein Stück Leder, so dass sie möglichst wasserdicht verpackt zu sein schienen. Nur das Papier mit der Skizze vom Sumpf behielt ich in meiner Tasche, so dass ich jederzeit darauf blicken konnte.
Dann lief ich zum Strand und sammelte alles was sich zu essen lohnte, weil sonst müsste ich mich die nächsten Tage nur von Fröschen ernähren. Dann füllte ich das frische Wasser, das vom Felsen kam, in meine Flasche, meinen Topf und in ein paar von den leeren Nüssen und ich trank mich nochmal richtig voll. Die Sache mit dem Wasser machte mir echt große Sorgen, aber mehr Wasser konnte ich nicht mit mir schleppen. Aber alles besser als nichts zu tun, der Stillstand würde mein sicherer Tod sein. Einer verrückten Idee folgend sammelte ich so viele Muscheln in meine Taschen, wie ich finden und tragen konnte und so machte ich mich also einigermaßen wissbegierig auf in den Sumpf.
Die Wege waren einigermaßen unbewachsen. Es war zwar kein Halm oder Blatt geknickt, aber die Wege waren frei von Unkraut. Ich war also nicht alleine hier. Mir war nicht ganz klar, wer hier lebte, ob es die Mapori waren oder jemand anderes. Ich blickte also wachsam immer wieder hinter mich, ich konnte aber niemanden sehen.
Vielleicht kamen ja diese wandelnden Büsche aus dem Sumpf. Ach von den Büschen hab ich ja noch gar nichts geschrieben, geliebte Erika. Die Büsche hätten dir gefallen, die waren groß, ziemlich ruppig und ziemlich leise. Sie waren keiner Sprache mächtig. Obwohl sie anscheinend miteinander kommunizieren konnten, verständigten sie sich gegenüber Fremden nur mit harten Hieben.
Die Säerin, wie die Wächter der Urtümer und selbst die Mapori schienen sie zu verstehen, das heißt aber noch lange nicht, dass sie immer alles taten was die Mapori von ihnen verlangten.
Aber selbst die Büsche waren im Sumpf nur Büsche und hatten keine Arme und keine Beine und sie verfolgten mich auch nicht, weil sie fest mit dem Morast verwurzelt waren. Ich irrte also den ganzen Tag durch den Sumpf immer die Wege und den Zettel im Blick und ansonsten immer wachsam auf alles was um mich herum raschelte. Ich hab mich eigentlich kaum verlaufen, doch der Sumpf war ein unerbittlicher Gegner. Es gab viele Wege die von oben so aussahen, als wären sie einfach begehbar gewesen, doch ich machte mich bei der Durchquerung nicht nur einmal nass. Ich musste auch mit dem Gedanken spielen, dass ich wenn ich weiter in den Sumpf vordringen würde, ich mir irgendwann ein Floss bauen musste.
Doch blieb ich mit meiner Paranoia alleine, das blöde Gefühl in meiner Magengegend wollte einfach nicht vorübergehen, also blickte ich mich immer und immer wieder um. Doch da war nur ich. Ich und dieser Zettel an den ich mich klammerte. Und langsam kam auch mein Hunger und mein Durst. Ich hatte den Topf, die Nüsse und die Flasche bereits geleert. Doch dieses Brackwasser aus dem Sumpf wollte ich noch weniger Trinken, wie das Meerwasser sich zu trinken lohnte.
Obwohl ich allein auf weiter Flur war, bekam ich das Gefühl einfach nicht los, dass ich doch beobachtet wurde. Doch lief ich weiter auf dem Weg, weil ich hatte mir meine Route in Gedanken ganz genau durch dieses Labyrinth gelegt und wollte noch an dem Punkt ankommen, den ich von meinem Aussichtspunkt auf dem blanken Felsen aus hatte sehen können.
Ich kam am Abend endlich dort an und genau wie ich vermutet hatte, war dort ein kleiner Hügel mitten im Sumpf. Auf der kleinen Anhöhe schlug ich mein Lager auf und machte ein kleines Feuer in einer Felsnische, um mir ein Wenig zu essen zu machen. Obwohl ich auf jeden Fall alleine war auf diesem Hügel, kam ich mir immer noch beobachtet vor. Ich traute mich kaum zu schlafen, deshalb schrieb ich noch diese Zeilen.
Wollt ich doch noch mehr erzählen von den Vorkommnissen die uns auf Secundum so mitrissen:
Des Spannens müde geworden, ließen die Mapori irgendwann die Bögen sinken, doch mein Herr hielt die Säerin immer noch in seinen starken Armen. Er war über und über mit Buschwindröschen bedeckt.
Wäre ich ein Maler, dann würde ich ein wunderschönes Bild davon zeichnen. Nun bin ich aber nur ein dummer Metzger und um jedes der Worte verlegen, die mir einfach nie über die Lippen gekommen wären, wenn sie mir schon die Schamesröte ins Gesicht trieben, wenn ich nur davon schreibe.
Dieses entzückende kleine ätherische Wesen, war wirklich so ein armes Pflänzchen, so dass jeder hier auf dieser Wiese sein Leben für sie gegeben hätte. Und selbst wenn die Wächter im Reich der Asche uns irgendwann nicht wieder zurückschicken würden. Den wahren Tod hätten wir genommen, nur um sie wieder Lachen zu sehen.
Denn dieses traurige Bild lies selbst die stärksten Recken dahinfließen und die ärgsten Feinde lagen sich in den Armen und konnten ihre Tränen nun auch nicht mehr zurückhalten. Auch wenn nie einer dieser wackeren Männer auch nur ein Wort darüber verlieren würde, wie nah sie alle an diesem Tag am Wasser gebaut waren, so vergossen sie alle an diesem Tage ihre Tränen über den Buschwindröschen, die mittlerweile die ganze Lichtung schier überfluteten. Und so schworen sie bei ihrem armseligen Leben, ihren Ahnen und ihren Göttern, ihre Kraft und ihr Können für diese eine Sache in die Waagschale zu werfen. So halfen sie auch alle mit, das Unrecht wieder ungeschehen zu machen, auch wenn diese Aufgabe uns alles und noch viel mehr abverlangen sollte, was wir bereit waren zu geben.
Langsam kam Bewegung in die Sache. Die Druiden untersuchten den ganzen Platz und die Alchemisten nahmen Proben von dem schillernden Schleim, während die Späher die Umgebung im Auge behielten und die Krieger sich berieten.
Die beiden verbleibenden Wächter des Urtums kamen zu der Säerin, die immer noch im Arm meines Herren lag und gaben sich irgendwie wortlos zu verstehen und mein Herr behauptete danach steif und fest, dass er jedes Wort verstanden hatte, dass die Wächter dem Buschwindröschen zugeflüstert hatten. Es wäre an der Zeit gewesen einen weiteren Wächter in unsere Mitte zu holen, erzählte er mir später.
Die Säerin hatte sich aus seiner Umarmung gelöst, blickte sich um und stand dann auf, als würde sie schlafwandeln. Sie ging zu einem der beiden Spähern, die immer an der kleinen Brücke standen, um den Weg zur Himmelstreppe zu bewachen, so dass kein Unbefugter über den Pfad hinauf gelangte.
Sie stellte sich vor den Größten der beiden und blickte ihn von unten aus an, denn die Säerin sah noch kleiner aus, als sie so vor ihm stand. Dieser eine Mapori hießt Juniper und er war zwar noch jung, doch schien er seine Arbeit wirklich gut gemacht zu haben, denn die beiden verbleibenden Wächter gingen mit ihm die Himmelstreppe hinauf. Doch die Säerin kam wieder zu Quain und sprach zu ihn: ‘Wir werden einen neuen Urtum pflanzen müssen, dazu brauchen wir einen geeigneten Ort, um den heiligen Samen in reine Erde zu pflanzen und gutes Wasser um ihn zu wässern, Blut von meinem Blute und Blut von deinem Blute und vieles mehr wenn es von Nöten ist.’
Quain nickte ihr zu und stand auf. Ein kurzer Pfiff und ich und der Schreiber kamen angelaufen. Der Schreiber, dessen Namen ich bis jetzt gar nicht genannt hatte, weil ich mich bis jetzt nicht recht traute seine Geschichte niederzuschreiben. Also Alram Großer-Fettweißer war der Schreiber meines Herren und bestenfalls war er es immer noch. Er war es der wegen seiner Papiernotizen den ersten ernsten Eklat mit den Mapori verursachte.
Kurz gesagt, nachdem er sich geweigert hatte, sein Notizbuch in den Kreislauf zurückzuführen, zog die Säerin von dannen. Doch Quain schickte ihn umgehend zurück ins Lager, weil er hoffte, sie würde sich wieder beruhigen.
Das war nicht der Fall und wir gingen unverrichteter Dinge wieder zurück ins Lager. Der Schreiber hatte seine Papiere bereits vergraben und wie ich glaube zu Beginn schon schrieb, schrieb Alram ab diesem Zeitpunkt nur noch auf seiner Hand, um es im Lager dann auf eine alte Schweinehaut zu übertragen.
Am nächsten Tag gingen wir wieder zum Lager der Mapori in der Hoffnung, die Säerin wäre nun besser gelaunt als gestern. Mein Herr hatte mittlerweile unseren eigenen Botaniker im Lager des Krieges eingeschleust, um das Vorkommen neuer Blumen zu untersuchen. Dieser Botaniker mit dem blumigen Namen Reiner-Maria Wiederneit-Hanfgarn hatte doch tatsächlich einen Samen einer dieser seltenen Pflanzen auflesen können und seinem Herren bringen lassen und das alles ohne aufzufliegen innerhalb eines halben Tages und einer Nacht.
Mit diesem Samen sprachen wir bei den Mapori also wieder vor und kamen zumindest weiter, als gestern. An der kleinen Brücke, die über den Bach zur Himmelstreppe hinaufführte, bat man uns alle Waffen abzulegen. Wir waren mit zwei seiner besten Kämpfer unterwegs gewesen, die nur widerwillig ihre Waffen an der kleinen Brücke abgaben und darauf bestanden mit Rüstung den Weg hinauf zur Säerin anzutreten.
Fünf gingen hinauf und nur drei kamen an. Naja, sagen wir mal so, der Weg war ohne Rüstung schon hart genug und ich war heilfroh, dass ich nicht auch noch meinen Herren den Berg hinaufschleppen musste, hatte ich mit dem Schreiber genug zu schleppen. Ihm ging es auf dem Weg hinauf gar nicht gut, das schlechte Gewissen hatte ihn gepackt und sein Gemüt machte einen Wandel durch, so dass er den Weg ohne meine Hilfe nie bis ganz nach oben geschafft hätte.
Oben angekommen, war mein Herr bereits in einer demütigen Haltung zusammengesunken und ich bemerkte erst recht spät, dass ihm bereits aufgegangen war, warum die Säerin am gestrigen Tag so überzogen reagiert hatte. Sie wollte uns alle zum Nachdenken bringen, welche Ressourcen wir jeden Tag im Namen unseres Aeon verschwendeten und ohne über das Gleichgewicht nachzudenken uns in den Wettstreit stürzten.
So brachte die Himmelstreppe uns nicht nur zum Nachdenken, sondern brachte uns auch dazu demütig auf allen Vieren vor der Säerin um Vergebung zu bitten.
Mein Herr erzählte von dem Gerücht, dass im Lager des Krieges unbekannte Blumen an der Stelle wuchsen, wo der Altar erschienen war. Neugierig schenkte sie uns ihre Aufmerksamkeit. Als mein Herr ihr dann lächelnd den Samen einer dieser Pflanzen übergab, sprang sie auf und lief behände die Himmelstreppe hinab, um dann den Samen vor unseren Urtum einzubauen.
Der Weg hinunter war zwar nicht so schwer, aber brauchte mehr Aufmerksamkeit. Also war der Weg nach unten irgendwie genauso anstrengend, wie der Weg nach oben. So ist es doch eine Prüfung für Körper und Geist, wenn man die Himmelstreppe heil wieder runterkommen will.
Die Belohnung dafür war, dass der Wächter des Urtum uns anblickte, aber nicht mit uns sprach. Also zogen wir wieder von dannen, um am Nachmittag mit Wasser vom Brunnen in der wandernden Stadt wiederzukommen, um den Samen zu gießen. Unsere Druiden taten ihr Möglichstes und brachten den Samen zum Keimen und dann endlich sprach der Urtum mit uns, um wenige Stunden später für immer und ewig aus unserer Mitte gerissen zu werden.
An dem Punkt wo ich eigentlich stehengeblieben war, rief mein Herr, um uns von dem Vorhaben der Säerin zu berichten. Wir sollten den Botaniker kontaktieren, er solle alle drei Samen der unbekannten Pflanzen besorgen und auch wenn er auffliegen würde, sollte er einen Weg finden, um so schnell wie möglich hier her zu kommen. Ich sollte mir einen Trupp zusammenstellen und genug Wasser vom Brunnen hier her bringen, sicherheitshalber sollte ich auch Wasser vom großen Fluss holen und von dem anderen Bach, der das Gebiet des Wettstreites auf der anderen Seite begrenzte.
Den Schreiber beauftragte er mit einem weiteren Trupp Erde, Lehm, Sand und Torf von allen vier Himmelsrichtungen zu holen.
Dann ging mein Herr zu seinen Druiden und bat sie, die Energielinien auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen und sie sollen eine weitere Schnittstelle finden, wo sich die Linie unseres Aeon mit der Linie des Aeon unserer direkten Widersacher noch einmal kreuzen würde.
Am Ende dieses Tages kamen wir alle wieder zusammen. Die Säerin prüfte die Erden und das Wasser und nahm die Samen entgegen und ging sich mit den Wächtern der verbleibenden Urtümer beraten...
Tag 9 Schmerzen zwischen den Ohren und die grelle Fratze am Himmel, will mir mein Augenlicht rauben. Dieser Morgen war grauenhaft zu mir und ich stand nur wiederwillig auf.
Einerseits wollte ich den Bericht weiterschreiben, aber andererseits wollte ich weitergehen und sehen, was sich hinter dem Felsen befand, der vor mir im Meer verschwand. Außerdem plagte mich nicht nur mein Kopf, sondern auch der Durst.
Die Sonne war an diesem Morgen genauso unerbittlich, wie die Flut. Ich kletterte also an der Klippe entlang, bis das Wasser endlich zurück ging. Ich war durchgeschwitzt und durstig. Ich muss sterben.
Heute war der Punkt an dieser Reise, wo ich das erste Mal dachte ich würde es nicht schaffen. In meiner Verzweiflung trank ich den Schnaps, doch der Durst ging nicht fort. Nun war es mir auch noch schlecht. Die Sonne hasst mich heute. Jetzt wären mir ein Scharmützel mit ein Paar Mapori lieber, als am schönsten Strand der Welt zu verdursten.
Den Hügel vor mir sah ich jetzt schon doppelt und den Versuch das Meerwasser zu trinken, bereute ich noch bitterer.
Ich ließ mir das Frühstück, dass ich an diesem Morgen gar nicht hatte, wieder durch den Kopf gehen. Was würde ich jetzt für eine dieser Nüsse geben.
Ich kroch noch eine Weile im Schatten des Felsens entlang, bis mich auch mein stetiger Begleiter verließ und mir wieder die Sonne auf den Kopf strahlte. Nun kroch ich auf dem blanken Felsen entlang. Der Stein war vom Meer wie blank poliert, ich konnte mein Spiegelbild darin sehen. Ich sah grauenhaft aus, geliebte Erika. Mein Bart und mein Haar waren zerzaust, den Hut muss ich mittlerweile verloren haben. Mein Gesicht war knallrot und meine Lippen aufgesprungen und blutig. Das Einzige was ich noch besaß war die Tasche mit den Schreibutensilien und meinen Messern, meinen kleinen Topf und die Axt hing noch an meinem Gürtel.
Ich muss auf dem glatten Felsen zusammengebrochen sein, weil als ich erwachte, lag ich dort immer noch. Etwas tropfte auf meinen Kopf. Immer und immer wieder. Wasser ran über mein Gesicht.
Erst als die Sonne am Horizont unterging, begriff ich, dass das Wasser, das über mein Gesicht ran nicht salzig war. Ein Bächlein hatte sein Ende gefunden und zwar genau über mir und sein Wasser ran vom Berg hinunter, direkt auf mich hernieder.
Ich trank so viel Wasser bis es mir bei der Nase wieder heraus kam. Mein Atem ging so schwer, ich hatte das Gefühl ich würde keine Luft mehr kriegen. Erst als ich mich wieder gefangen hatte, sah ich mich um. Hinter dem Felsen konnte ich über ein weitläufiges Sumpfgebiet blicken.
Erika, wenn der letzte Tag nicht schon die Hölle war, werden die nächsten Tage es bestimmt werden. Jetzt sitz ich auf dem blanken nassen Felsen und das Feuer, dass ich zustande gebracht habe, wärmte mich nicht wirklich, aber zumindest trocknete es deine Seiten.
Ich hoff du kannst meine Worte noch lesen, geliebte Erika. Ich vermisse dich,
Tag 8 Der Morgen war trockener als der Letzte. Die Flut war wieder da und ich beschloss mir erstmal ein hübsches Frühstück zu sammeln, also zog ich meine Schuhe aus und watete im seichten Wasser umher. Zum Frühstück gab es schließlich einen Fisch und zwar so einen Großen.
Später lief ich weiter am Strand entlang und Ebbe und Flut begleiteten mich. Das war mir allerdings wesentlich lieber, als von den Mapori beobachtet zu werden. Ich lief also weiter bis die Flut mich wieder zum Anhalten zwang, aber vor mir sah ich, dass die Felsformation, die neben mir noch hoch aufragte, da hinten am Horizont an Höhe verlor, bis sie schlussendlich im Meer versank.
Ich war sehr neugierig, was mich dahinter erwarten würde, aber ich konnte jetzt erstmal nicht weiter gehen. Die Flut hielt mich noch eine Weile auf und eigentlich muss ich mir langsam einen Platz zum Übernachten suchen. Aber meine Neugier trieb mich weiter, also lief ich dem Horizont entgegen bis die Sonne in meinem Rücken im Meer versank. Ich hatte immer den feuchten Sand im Auge behalten. Ich wollte auf keinen Fall wieder mit nassen Füßen aufwachen, weil ich meinen Schlafplatz nicht mit Bedacht wählte.
Nun sitze ich wieder auf einem kleinen Felsen, sicher ist sicher, mit Blick auf den großen Felsen vor mir. Mein Essen war gut, gegrillte Schnecken zur Vorspeise, dann gegrillte Krabben als ersten Gang und in Palmblätter gewickelte und mit dieser Nussmilch gedünsteter Fisch als Zweiten und zum Nachtisch das weiße Fleisch der Riesennuss. Nun hab ich noch ein wenig Zeit, das Feuer brennt noch eine Weile und das Blatt auf dem ich schreibe ist noch nicht ganz voll, also will ich noch ein Wenig mehr erzählen, was während des Wettbewerbs auf Secundum geschah.
Naja, ich bin mir nicht sicher, wie viel du davon mitbekommen hast. Du hattest ja schließlich noch eine Anstellung in der wandernden Stadt, bis du dich entschieden hast, deinen Beruf an den Nagel zu hängen. Ich bilde mir ja immer noch ziemlich was drauf ein, dass du nach nur einer Nacht mit mir, gleich deine Anstellung aufgekündigt hast. Ich wusste ja nicht wie gut ich sein musste, es waren ja doch ein paar Jährchen her bei mir… Aber du musst es ja wissen, es ist ja schließlich dein Gewerk.
Aber die Änderung deines Namens, wäre wirklich nicht nötig gewesen. Hat er mir doch sehr gut gefallen. Und wie du deinen Namen bei deiner Arbeit immer wieder wiederholt hast, hat mir noch viel besser gefallen.
Ich schweife ab, wollte ich doch von den Vorkommnissen erzählen, die hier geschehen waren, es ist ja noch keine 14 Tage her, als unser Urtum eines Nachts einfach verschwand.
Nachdem ich auch nicht wusste, was ein Urtum ist, schreib ich nun das nieder, was man mir selbst erzählt hat, auch wenn ich es nur bedingt verstand, was man mir erklärte, ich bin ja auch nur ein einfacher Metzger. Ein Urtum ist ein altes Baumwesen ähnlich wie ein Ent. Nur die Urtümer auf dieser Insel bewegen sich kaum mehr. Die Mapori verehrten die Urtümer sehr, es waren drei an der Zahl, die sich jeweils auf einem Knotenpunkt von wichtigen Energielinien zur Ruhe gesetzt hatten, von denen sie sich ernährten. In einfachen Worten, ein Urtum ist ein phantasmagorisches, parasitäres Unkraut, wer hat mir nur so viele schwere Wörter beigebracht? Das kommt davon, wenn ich immer meine Zeit mit meinem Herren und seinen Druiden verbrachte. Da schnappt man sehr viel auf.
Also dieser Urtum war für unser Lager extrem wichtig, weil dieser auf der Energielinie unseres Aeons saß und sich von der Energie nährte. Ohne die Verbindung zu unserem Aeon konnten unsere Druiden nicht mit dem Aeon sprechen. Also war das Erste was wir taten, wir gingen in den Wald, um mit dem Urtum reden zu wollen.
Vom ersten Zusammentreffen mit den Mapori habe ich ja schon erzählt, ja das eher kurze Treffen, dass sehr abrupt von der Säerin beendet wurde, weil unser Schreiberling einen Stapel Papier dabei hatte.
Also dauerte der Versuch etwas länger, um mit unserem Urtum reden zu dürfen. Schlussendlich wurden wir vor den Wächter des Urtum gebracht und mein Herr Quain stellte sich als der erste Streiter der ersten Insel vor. Der Wächter machte nicht gerade den Eindruck, als würde er mit uns reden wollen. Erst sehr viel später erfuhren wir, dass er des Redens gar nicht mächtig war, wenn er nicht mit dem Urtum verbunden war. Wir schafften es auch nur einmal den Wächter zum Reden zu bekommen, bevor der Urtum einfach verschwand.
Als der Urtum aus unserer Mitte gerissen wurde, konnte man den Schrei des Wächters bis zum Turnierplatz hin hören. Der Schrei schien gar nicht mehr verklingen zu wollen, später konnte man den Klagegesang der Säerin hören.
Mein Herr wurde, wie so viele von uns, von dem Schrei des Wächters aus dem Schlaf gerissen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob du den Schrei des Wächters überhaupt gehört hast? Du hast ja tief und fest geschlafen, als ich aus meinen süßen Träumen gerissen wurde. Der Schrei des Wächters fuhr mir durch Mark und Bein. Und nachdem ich das Horn unseres Lagers hörte, stolperte ich splitterfasernackt aus dem Vergnügungsviertel und bis ich wieder im Lager war, hatte ich zumindest meine Hose wieder an. Mein Herr war bereits mit ein Paar seiner Männer in den Wald gelaufen und ich stolperte mit offenen Schuhen hinter ihnen her.
Der Klagegesang der Säerin wies in dieser Nacht nicht nur mir den Weg. Viele der Wettstreiter folgten dem Ruf der Mapori in dieser Nacht und das was wir im schummrigen Licht der Lampen sahen, ließ uns den Atem stocken.
Der einst so prächtige Stamm des Urtums, war nur noch zu einem Bruchteil an der Stelle, die mächtige Krone des Urtums war einfach verschwunden und der Stamm sah wie abgefressen aus. Es lag nicht mal ein Blättchen von ihm am Boden. Und die Erde um seine Wurzeln war aufgewühlt und überall war dieser Schleim, der im Dunkeln leicht blau schimmerte.
Der Wächter wand sich nun wieder ohne einen Ton von sich zu geben vor den Überresten des Urtums und man konnte ihm direkt ansehen, unter welchen unglaublichen Schmerzen er in diesem Moment leiden musste. Er war nun wieder stumm, doch konnte man immer noch seinen Schrei durch den Wald hallen hören.
Mein Herr rief alle seine Druiden zusammen, doch selbst die mächtigsten Heiler, Magier und Druiden konnten den Wächter nicht mehr retten.
Im Morgengrauen starb der Wächter in den zitternden Armen der Säerin. Die Wächter der anderen Urtümer kamen hinüber und trugen die Säerin und den Leichnam des Wächters über den Bach zur Himmelstreppe hinauf. Die beiden anderen Urtümer schützten sich vor weiteren Angriffen mit einer Art magischen Barriere, die selbst ich mit bloßen Auge sehen konnte, so mächtig war sie. Jeder der dem Urtum wohlgesonnen war, konnte diese Barriere überschreiten.
Selbst die erbittersten Gegner in diesem Wettstreit saßen an diesem Morgen vor dem Stumpf des Urtums und weinten und beteten um diesen so mächtigen Baum.
Mein Herr Quain blieb vor dem Stumpf des Urtum sitzen und wartete bis die anderen Wächter oder die Säerin wieder zurückkamen. Es dauerte fast bis zur Mittagsstunde bis sich etwas tat. Erst als der Phönix des Südens auf der Lichtung erschien, schritt die Säerin vom Berg herab. Der Phönix sprach: ‘Rose der Mapori, ich sehe deine Trauer!’
Mein Herr stand einfach auf und ging langsam und ehrerbietig zu ihr hinüber, auf dem Weg zur ihr lies er alle seine Waffen und seine Rüstung fallen und legte schlussendlich die Waffe des Ersten Streiters vor ihre Füße. Dann schwor er feierlich, dass er sich auf die Suche nach dem Urtum machen würde und nicht eher ruhen würde, bis das Gleichgewicht der Mapori wieder hergestellt sei. Ich beobachtete die Szene argwöhnisch, doch selbst der Phönix des Südens nickte der Säerin zu und ging wieder zurück zum Turnierplatz.
Die Säerin aber kniete sich zu Quain hinunter und sprach zu ihm: ‘Ihr legt mir Stein und Stahl zu Füßen, weil Euer Herz voll Trauer ist. Weder auf Stein noch auf Metall wächst keines Samens Keim, was soll mir das nutzen?’
‘Werte Rose der Mapori, mein Herz ist so voll Trauer, das ich weder Stein noch Stahl mehr in meinen Händen halten kann, bevor euer Bruder wieder in Eurer Mitte ist.’
‘Mein Bruder ist für ewig verloren…sein Licht weilt nicht mehr auf diesem Grün...’ flüsterte sie noch, bevor ihre Stimme brach. Tränen liefen ihr unaufhörlich aus ihren Augen und jeder Tropfen ihrer Tränen, der auf den Waldboden tropfte, brachte ein Buschwindröschen zum Blühen.
Ich konnte genau hören, wie das Herz meines Herren zu brechen schien und deshalb verwunderte es mich auch nicht, als er beherzt nach ihren bebenden Händen griff und sie langsam an seine Brust zog. ‘Für jede Eurer Tränen bricht mein Herz ein weiteres Stückchen von dem Stein, den ich auf Primum erstritt, so dass von diesem Stein nichts mehr übrig bleiben möge.’
Sie blickte auf und berührte seine Brust und ich konnte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht huschen sehen, bevor sie ihm zu flüsterte: ‘Ich schätze das Opfer, dass ihr uns bringen wollt!’
Dann brach sie endgültig zusammen. Er konnte einfach nicht anders und zog sie in eine liebevolle Umarmung. Er strich ihr sachte über ihren Rücken, denn er traute sich nicht recht ihren blumigen Haarschmuck zu berühren. Dabei bemerkte er gar nicht, dass die Bogenschützen der Mapori alle samt auf ihn anlegten. Er war voll und ganz damit beschäftigt der Säerin beruhigende Laute ins Ohr zu flüstern. ‘Bitte nehmt mein Opfer an, mehr als mein Herz und meine Hand kann ich euch nicht geben!’
Daraufhin standen alle Wettstreiter, die sich noch auf der Lichtung befanden, auf, legten ihre Waffen nieder und schritten in ihre Richtung um sich ebenfalls ins moosige Gras der Lichtung zu knien und der Säerin damit ihre Anteilnahme zu zeigen und ihre Mithilfe anzubieten. Ich sah Einige, wie sie die Steine der Uth vom Hals nahmen, um ihn vor sich in die Wiese zu legen.
Wenn ich mal am Schreiben bin, dann kann ich kaum noch aufhören, aber ich hab kein Holz mehr und selbst die Schalen der Nüsse glimmen nur noch in der Asche.
Ich werde morgen fortfahren, mein Herz. Oder wer auch immer meine Geschichte lesen wird….
Tag 7 Die Flut weckte mich, an diesem Morgen. Ich hatte mich unter einer einsamen Palme zur Ruhe gelegt. Ich war eigentlich der Meinung, das mich der Hunger wecken würde. Nein, es waren die nassen Füße bis zum Hals. Zum Glück lag ich auf meinem ganzen Zeugs und war letzte Nacht mit dem Tagebuch auf meiner Brust eingeschlafen. Es ist nur ein wenig feucht geworden.
Ich kletterte auf die Palme und wartete. Dort oben hatte ich genug Zeit um meine Sachen zu trocknen und sinnierte eine ganze lange Weile über die Sätze der Säerin nach und was sie wohl damit gemeint haben könnte. Schlauer wurde ich nicht daraus, aber ich hatte ihr auch nicht meinen ganzen Plan erzählt. Ich wollte ja nicht nur bis zur Baumwollplantage, sondern ich wollte ein Stückchen weiter laufen.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit, ging die Flut zurück und gab den Strand wieder frei. Ich kletterte vom Baum herab, packte meine Sachen und lief weiter, aufmerksam den Meeresspiegel und den Strand beobachtend. Am Strand lagen nun unzählige Muscheln und Schnecken herum. Mein Glück und ein eher weniger leckeres, wenn auch sehr nahrhaftes Frühstück. Ich hoffte wieder auf ein paar Krabben, einen dummen Fisch oder eine von diesen enormen Nüssen.
Naja, am Strand würde ich zumindest nicht verhungern, aber der Durst plagte mich schon arg. Ich hatte noch einen Schluck Schnaps, den wollte ich für noch schlechtere Zeiten aufheben. Der Weg wurde zäh, so viel Wasser und doch nichts zu trinken. Ich hätte zu hause bleiben sollen, in meiner kleinen Metzgerei und hätte die hässliche Tochter vom Schmied heiraten sollen. Ich wollte schon aufgeben, doch am Ende rettete mich tatsächlich so eine Nuss vor dem Verdursten. Auch wenn mich der Kampf dieses zähe Ding zu öffnen fast meine letzten Kräfte gekostet hatte.
Zur Mittagsstund war der Strand wieder groß und weit und als ich dann weiter lief, kam langsam aber sicher die Flut. Gegen Abend brachte sie mich wieder in arge Bedrängnis, aber zum Höhepunkt der nachmittäglichen Flut entschloss ich mein Lager am höchsten Punkt auf einem großen Felsen aufzuschlagen. Ich hatte eh allerlei Zeug gesammelt, dass ich nun verarbeiten wollte. Von Treibholz, über Nussschalen bis hin zu einer Krabbe und ein paar Schnecken. Ich beschloss alles zu verarbeiten, was ich fand.
Am Abend hatte ich sogar noch einen Fisch fangen können. Ich bastelte mir einen Hut aus Palmenblättern gegen die Sonne, die mich morgen wieder erwarten würde. Dann machte ich Feuer aus dem trockenen Treibgut und den Überresten dieser Riesennüsse, von denen ich noch Einige gefunden hatte. Die Schnecken schmeckten gebraten besser. Zumindest war mein Durst und mein Hunger soweit gestillt, nur ich musste morgen früh gleich wieder auf die Suche gehen.
Mal sehen was der Morgen mir bringt, ich wollte noch ein paar Krabben fangen und sie grillen, in der Hoffnung einen weiteren Baustein für meine Ernährung zu finden. Das Fruchtfleisch der Nuss, war sehr lecker und aromatisch.
Gute Nacht geliebte Erika. Ich hoffe du vermisst mich schon….