Hape lag immer noch im Schnee. Der Oberon, der Hafenmeister, der Flötzinger und der Kapitän saßen nun zu viert auf der Bank und blickten auf die beiden Krähen, die munter ihre Kreise zogen und von Zeit zu Zeit ihre Rufe über die Ebene hallen ließen:
Hape drehte sich um, spuckte eine Ladung Schnee aus und blickte dann nach oben. Sein Mast stand immer noch auf Halb Acht.
‘Kapitän!’ kam es vom Oberon.
Ein ‘Aye!’ kam vom Kapitän.
‘Ihr habt doch ohne mich gefeiert?‘ meinte der Oberon vorwurfsvoll.
‘Unwesentlich!’ rief der Kapitän und machte eine abwägende Handbewegung.
Der Hafenmeister wurde von einem Nickerchen wach und meinte: ‘Kann jemand mal den Briefkasten leeren, ich glaube ich habe Post!’
Der Flötzinger löste seinen Blick vom Schritt des ersten Maat und blickte dann zuerst den Hafenmeister an und dann den Kapitän und sagte dann: ‘Kapitän?’
Der Kapitän nickte diesmal nur.
‘Dass die Hose das auf Dauer aushält!’
Der Kapitän dachte einen Moment nach und meinte dann: ‘Dass die Huren das auf Dauer aushalten!’
Hape hob den Kopf und meinte: ‘Immer wenn man einen Arzt braucht, dann ist kein Doktor da!’
Von hinter der feuchten Hütte kam eine schnarrende Stimme her: ‘Ihr habt mich gerufen.’
Dann hörte man einen schwarzen Mantel im Wind wehen.
Die Krähen landeten direkt auf dem Miesepeter seinem Peter und man konnte seinen Schrei noch am Grenzbaum der Ewigkeit hören.
Die Krähen flogen wieder davon und setzten sich aufs Dach.
Die zwei Krähen lagen immer noch mit den Beinen nach oben im Schnee:
Oberon kam den Weg entlang zur neuen feuchten Hütte, blickte auf die beiden Krähen und frug: ‘Wo hat ihr denn den Briefkasten hingestellt?’
Hape Mies lag mit dem Gesicht voran in einem Schneehaufen. Der Kapitän und der Flötzinger saßen nun vor der Hütte auf einer Bank. Sie blickten immer noch auf ihre Hände und zählten die Finger.
‘Kapitän!’ rief Oberon.
Ein zögerliches ‘Aye’ stolperte aus seinem Mund, er blickte aber nicht auf.
‘Hab ich was verpasst?’ frug Oberon.
Die beiden Männer schüttelten beide den Kopf.
‘Und auf was wartet Hape dort im Schnee?’
‘Auf bessere Zeiten!’ kam es von Beiden wie aus einem Mund.
Oberon war schon sichtlich ungehalten, frug dann aber nochmal. ‘Wo ist denn der Briefkasten jetzt?’
Der Kapitän zuckte mit den Schultern und der Flötzinger blickte immer noch auf seine Hand.
‘Ich hab hier 7 Briefe für den Hafenmeister!’ ‘Wo ist eigentlich der Hafenmeister?’ frug der Kapitän und blickte den Flötzinger an. Der blickte von seiner Hand auf und zuckte mit den Schultern.
Hinter Oberon kam der Hafenmeister den Weg entlang getorkelt. Er hatte den Briefkasten über der Schulter. Dann schien er sich eine geeignete Stelle suchen zu wollen und rammte den Briefkasten mit samt seinem Pfahl in den Schnee.
Hape schrak hoch und rief: ‘Ein Hund hat sich im Hafenbecken ertränkt…’ dann ließ er sein Gesicht wieder in den Schnee sinken.
Oberon ging zum Briefkasten und warf einen Packen Briefe ein und fuhr fort: ‘... Und wurde dann vom Kraken gefressen, dann kamen zwei Krähen und haben dem Kraken mindest ein Auge aufgepickt.’
Herta kam vor die Tür und meinte: ‘Petra Hacke hat die beiden Krähen durch den Kamin ins Jenseits befördert!’
Wie aufs Stichwort flogen die beiden totgeglaubten Krähen unter den ungläubigen Blicken der Umstehenden einfach davon.
Am Abend saßen zwei Krähen auf dem Dach und erzählten uns, was auf Primum geschah, wenn es dunkel wird:
Der Flötzinger, der erste Maat und der Kapitän saßen immer noch auf der Bank und schauten der fluchenden Herta und dem immer noch leidenden Hans dabei zu, wie sie versuchten den nicht mehr ganz so schönen neuen Dielenboden wieder sauber zu schrubben.
Der erste Maat hatte mittlerweile einen Berg Schnee im Schritt, konnte aber den Blick nicht vom Hintern der Herta trennen und schüttelte dabei apathisch den Kopf hin und her.
Der Flötzinger blickte auf seine Hand und rief: ‘Kapitän?’
Es dauerte einen Moment, bis aus dem Mund vom Kapitän ein ‘Aye!’ stolperte.
‘Hat deine Hand auch sechs Finger?’
Der Kapitän hob seine Hand, brauchte einen Moment und meinte dann: ‘Aye!’
‘Na dann ist ja gut.’
In der Küche explodierte etwas. Man konnte Petra Hacke fluchen hören. Draußen flogen zwei Krähen tot vom Dach und blieben kopfüber in Schnee stecken.
Der Kraken hat uns berichtet, was heute mittag auf Primum geschah:
Herta sag fröhlich vor sich hin. Petra kochte ein magenfreundliches Süppchen.
Auf einer Bank saßen Pandora mit einem kalten Lappen auf dem Gesicht, der Flötzinger neben ihr mit einem kalten Lappen auf dem Hinterkopf und einem Eimer vor seinen Füßen, HP Mies mit einem kalten Lappen im Schritt, der Kapitän mit einem kalten Lappen um die Hand gewickelt und der Hans zog es vor auf einer Schüssel mit Schnee zu sitzen.
Der Flötzinger murmelte: ‘Kapitän!’
Vom Kapitän kam ein ‘Aye!’
‘Hättest ihn nicht so hart versohlen müssen!’
‘Das war dafür, dass er noch seine Klamotten anhatte, als er heute morgen unverrichteter Dinge im Schoß deiner Frau aufgewacht war!’
Petra Hacke brachte ein Tablett mit 5 Bechern und trällerte: ‘Erstmal was Abschwellendes für die Herrschaften!’
Von hinter der Theke konnte man die Huren Wehklagen hören, was für ein Jammer das wäre.
HP Mies blickte seinen Kapitän an und frug: ‘Kapitän!’
Vom Kapitän kam wieder ein ‘Aye!’
‘Ist das immer so beim Stapellauf?’
‘Schlimmer. Hape. Viel Schlimmer!’
Petra Hacke kam wieder und brachte 5 Süppchen und trällerte: ‘So und jetzt noch was für den Magen.’
Pandora räusperte sich und meinte: ‘Spatzenbert, ich will die Scheidung!’
‘Ja, Schatz. Warum diesmal.’ Kam es völlig ungerührt aus dem Mund vom Flötzinger.
‘Wegen Häuslicher Gewalt!’ meinte Pandora und zog den Lappen vom Gesicht. Ich Gesicht war kaum wieder zu erkennen, es hätte eher Ähnlichkeit mit einer Nasenbruch-Veilchen-Parade.
‘Aber Schätzelein, das war doch ein Unfall!’
‘Das sagen alle, mein Schatz. Das sagen immer alle!’
Petra Hacke kam wieder und brachte nochmal 5 Becher und trällerte nun noch schriller: ‘Das ist gegen die Schmerzen.’
Der Hans meldete sich nun zu Wort: ‘Kapitän!’
Aus dem Mund des Kapitäns kam nur ein ‘Aye!’
‘Tut einem nach einem Stapellauf immer der Hintern weh!’
‘Da musst du den räudigen Köter fragen!’
Petra Hacke drehte sich nochmal um, zu den Fünfen auf der Bank. ‘Der räudige Köter hat sich ins Hafenbecken gestürzt und wurde dann vom Kraken gefressen.’
Dem Kraken wurden von zwei Krähen mindestens ein Auge ausgefressen.
Ein verstörter Hund hat uns geflüstert, was heute morgen auf Primum geschah:
Am nächsten Morgen schien die grelle Fratze am Himmel durch die schmutzigen Scheiben. Ignaz wurde wach, weil ihm nicht nur die Augen weh taten, sondern auch der Rest von seinem Kopf. Außerdem war ihm flau im Magen und er schmeckte Erbrochenes in seinem Mund. Sein Gesicht klebte auf dem schönen neuen Dielenboden. Nach einem vergeblichen Versuch sich zu bewegen, konnte er zwar sein Gesicht vom Dielenboden lösen, es würde ihm aber zu allem Überfluss auch noch schwindelig.
Bei einem erneuten Versuch die Augen zu öffnen, sah er Dinge, die ihm besser verborgen geblieben wären. Das er seine Mannschaft öfter mal unbekleidet sah, daran hatte er sich ja mittlerweile gewöhnt, er würde sich nie darüber beschweren. Warum denn auch. So schlimm war es ja nun auch wieder nicht, nur mit Freudendamen zusammen zu arbeiten. Aber das er beim Aufwachen die halbe Mannschaft des Kapitän halbnackt vorfand, war ihm neu und einigermaßen verstörend, nachdem er selbst noch weitestgehend angezogen war.
Er drehte sich um und musste erstmal den nackten Körper vom ersten Maat von seinen Füßen schieben. Für einen Moment war er eigentlich auch ganz froh, dass er noch seine Hosen anhatte. Der erste Maat gab einen seltsamen Stöhner von sich, drehte sich im Schlaf und der nächsten Ausblick verschaffte dem Flötzinger zwar eine explizit phantasmagorische Erkenntnis über den Aufenthaltsort des mysteriösen Stechers, den die Huren unter der Mannschaft der Seemöwe letzte Nacht gesucht hatten. Aber das Bild seines aufgestellten Mastes, mit in seinem neuen Schankraumes, hatte sich für den Bruchteil eines Momentes in sein Hirn eingebrannt, auf das er das Bild wohl nie wieder loswerden würde. Er rappelte sich auf und floh auf allen Vieren vor dem Schatten des fleischgewordrnen Mastes und erblickte dann Hans, der zwar noch einigermaßen bekleidet zu sein schien, aber mit dem Gesicht im Schoß seiner Pandora eingeschlafen war. Die einerseits einen mittlerweile gefrorenen Lappen auf der Nase festhielt, während die andere Hand im Lendenschurz eines Uth war.
Kopfschüttelnd kroch er weiter zur Tür. Dort lag ein räudiger Köter, der den Flötzinger verstört anwinselte. Auf der Stiege sah er den Mond aufgehen. Sein Verstand musste einen Moment auf Wanderschaft gegangen sein, aber die frische Luft traf ihn wie ein Schlag und der Gestank aus seinem Mund verschaffte ihm insofern Erleichterung, als dass er sich über einen Hintern hinweg in den Schnee erbroch. Der nackte Hintern, den er fälschlicherweise für den Mond gehalten hatte, gehörte zum Kapitän.
Der Kapitän blickte den Flötzinger an und frug: ‘Wie heißt denn die Schöne, die mir bis eben noch den Hintern geleckt hat?’
‘Wenn ich nach ihr trete, nenne ich sie immer räudiger Köter!’
Der räudige Köter lief zum Hafenbecken und stürzte sich in die Fluten. Dort wurde er vom Kraken gefressen.