‘Ich wollte nur fragen, ob ich Post bekommen habe!’ frug der Nicht Doktor Lebertran und zog dabei seine Kapuze vom Kopf.
Es kam ein dunkler Verband zum Vorschein, den er sich um die Stirn gewickelt hatte. Der erste Maat ist mittlerweile auf Anraten des Nicht Doktors in die feuchte Hütte gebracht und auf einem Schemel gesetzt worden.
Alle standen nun in der Feuchten Hütte und blickten auf die Hose des ersten Maats.
‘Wird sein Freudenpeter überleben?’ frugen die Huren im Chor und seufzten als würde jemand oder etwas auf dem Sterbebett liegen.
Oberon ging kopfschüttelnd raus und holte endlich die Post. Der Flötzinger trieb die Damen aus dem Schankraum und schloß sie in der Küche ein. Seine Frau blieb demonstrativ in ihrem Schaukelstuhl sitzen und strickte. ‘Er wird seine Hose ausziehen müssen.’ meinte der Nicht Doktor.
‘Hans!’ rief der Kapitän.
Hans schrubbte immer noch den Boden, sprang dann aber auf und rief: ‘Aye Kapitän!’
‘Hilf dem Ersten Maat aus seiner Hose.’
‘Aber warum ich!’
‘Nichts Aber!’ schrie der Kapitän und Hans stolperte beinahe über den Putzeimer. Er fing sich gerade noch, bevor er stürzen konnte, doch der Eimer kippte. Der Kapitän blickte Hans an und schüttelte den Kopf, dann zeigte er auf den Eimer. Erschreckend schwungvoll tippte Hans den Eimer an und es wurde an diesem Tag kein Tropfen mehr über dem schönen neuen Dielenboden verschüttet.
Der Hans trat daraufhin weitestgehend unfallfrei näher und versuchte nun mit zitternden Fingern die zum Bersten gespannte Hosen zu öffnen, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Es wurde gezogen und gerangelt, denn der Hape Mies schien mittlerweile die geschwollene Tatsache als unangenehm zu empfinden. Es machte plötzlich ein reißendes Geräusch und ein Knopf flog im hohen Bogen direkt in Pandoras Dekolleté. Der Kapitän und der Flötzinger klatschten Beifall, Pandora war weniger begeistert, doch der Hape jedoch war für einen Moment von seiner Misere abgelenkt und schon ging der Hosenstall auf und sein Mast sprang Hans regelrecht ins Auge. Beide schreien markerschütternd auf. Hans taumelte zurück und hielt sich sein Auge.
Der Flötzinger tippte den Kapitän an. Ein lachendes ‚Aye!‘ kam aus des Kapitäns Mund und der Flötzinger stellte unverblümt fest: ‚Muss der Schwengel so blau sein?‘ Während Hans auf seinem Hosenboden landete und noch mehr schmerzvoll lamentierte.
Dem Kapitän wurde ganz anders, zog sich seine eigene Hose im Schritt zurecht und schien ein Stoßgebet an die Herrin der See zu schicken.Der Dr. Lebertran schaltete sich gleich ein: ‚So schlimm ist das nicht, dazu müsste er schwarz sein! Ich hab meine Säge ohnehin nicht bei mir…‘ Er kniete sich hin, zog fast schon genüsslich seinen Handschuh an und nahm den blauen Übeltäter mit zwei Finger etwas hoch, um ihn dann näher zu beäugen: ‚Kucken wir mal mit dem Augometer!‘ Hape wurde noch blasser, der Kapitän und der Flötzinger taten ihm gleich.
Der Lebertran kramte dessen ungeachtet in deiner Manteltasche und brachte ein kleines Fläschchen hervor und trällerte dann fast noch schriller als Frau Hacke noch am Morgen geträllert hatte: ‚Wie gut, dass ich mein Schwellnix dabei habe!‘ Der Lebertran nötigte den Hape den Mund zu öffnen und träufelte ihm laut zählend, neun Tropfen in den Mund. Der Mast sank augenblicklich, die Farbe blau ging in ein sanftes Flieder über und der Hape machte einen entspannteren Eindruck.
Der Flötzinger meinte: ‚Auf den Schrecken brauch ich an Schnaps!‘
‚Mach neun draus und bring einen Fransen Fleisch, bevor der Hans auch noch blau wird!‘ rief der Kapitän und setzte sich auf eine Bank.
Die zwei Krähen zogen draußen ihr Kreise und krächzten ihr Lied.
Hape lag immer noch im Schnee. Der Oberon, der Hafenmeister, der Flötzinger und der Kapitän saßen nun zu viert auf der Bank und blickten auf die beiden Krähen, die munter ihre Kreise zogen und von Zeit zu Zeit ihre Rufe über die Ebene hallen ließen:
Hape drehte sich um, spuckte eine Ladung Schnee aus und blickte dann nach oben. Sein Mast stand immer noch auf Halb Acht.
‘Kapitän!’ kam es vom Oberon.
Ein ‘Aye!’ kam vom Kapitän.
‘Ihr habt doch ohne mich gefeiert?‘ meinte der Oberon vorwurfsvoll.
‘Unwesentlich!’ rief der Kapitän und machte eine abwägende Handbewegung.
Der Hafenmeister wurde von einem Nickerchen wach und meinte: ‘Kann jemand mal den Briefkasten leeren, ich glaube ich habe Post!’
Der Flötzinger löste seinen Blick vom Schritt des ersten Maat und blickte dann zuerst den Hafenmeister an und dann den Kapitän und sagte dann: ‘Kapitän?’
Der Kapitän nickte diesmal nur.
‘Dass die Hose das auf Dauer aushält!’
Der Kapitän dachte einen Moment nach und meinte dann: ‘Dass die Huren das auf Dauer aushalten!’
Hape hob den Kopf und meinte: ‘Immer wenn man einen Arzt braucht, dann ist kein Doktor da!’
Von hinter der feuchten Hütte kam eine schnarrende Stimme her: ‘Ihr habt mich gerufen.’
Dann hörte man einen schwarzen Mantel im Wind wehen.
Die Krähen landeten direkt auf dem Miesepeter seinem Peter und man konnte seinen Schrei noch am Grenzbaum der Ewigkeit hören.
Die Krähen flogen wieder davon und setzten sich aufs Dach.
Die zwei Krähen lagen immer noch mit den Beinen nach oben im Schnee:
Oberon kam den Weg entlang zur neuen feuchten Hütte, blickte auf die beiden Krähen und frug: ‘Wo hat ihr denn den Briefkasten hingestellt?’
Hape Mies lag mit dem Gesicht voran in einem Schneehaufen. Der Kapitän und der Flötzinger saßen nun vor der Hütte auf einer Bank. Sie blickten immer noch auf ihre Hände und zählten die Finger.
‘Kapitän!’ rief Oberon.
Ein zögerliches ‘Aye’ stolperte aus seinem Mund, er blickte aber nicht auf.
‘Hab ich was verpasst?’ frug Oberon.
Die beiden Männer schüttelten beide den Kopf.
‘Und auf was wartet Hape dort im Schnee?’
‘Auf bessere Zeiten!’ kam es von Beiden wie aus einem Mund.
Oberon war schon sichtlich ungehalten, frug dann aber nochmal. ‘Wo ist denn der Briefkasten jetzt?’
Der Kapitän zuckte mit den Schultern und der Flötzinger blickte immer noch auf seine Hand.
‘Ich hab hier 7 Briefe für den Hafenmeister!’ ‘Wo ist eigentlich der Hafenmeister?’ frug der Kapitän und blickte den Flötzinger an. Der blickte von seiner Hand auf und zuckte mit den Schultern.
Hinter Oberon kam der Hafenmeister den Weg entlang getorkelt. Er hatte den Briefkasten über der Schulter. Dann schien er sich eine geeignete Stelle suchen zu wollen und rammte den Briefkasten mit samt seinem Pfahl in den Schnee.
Hape schrak hoch und rief: ‘Ein Hund hat sich im Hafenbecken ertränkt…’ dann ließ er sein Gesicht wieder in den Schnee sinken.
Oberon ging zum Briefkasten und warf einen Packen Briefe ein und fuhr fort: ‘... Und wurde dann vom Kraken gefressen, dann kamen zwei Krähen und haben dem Kraken mindest ein Auge aufgepickt.’
Herta kam vor die Tür und meinte: ‘Petra Hacke hat die beiden Krähen durch den Kamin ins Jenseits befördert!’
Wie aufs Stichwort flogen die beiden totgeglaubten Krähen unter den ungläubigen Blicken der Umstehenden einfach davon.